Körperliche Züchtigung ist ab 1977 in Österreich verboten. Es hat sich noch nicht bei allen rumgesprochen, dass zwischen verantwortungslosem laissez-faire und dem Gürtel beziehungsweise Teppichklopfer auf Kinderhaut noch andere Methoden gibt, dem Nachwuchs zu begegnen. Zwischen der tödlichen heißen Dusche und der Päppelung verwöhnter Tyrannen liegen Welten. Ein Artikel in der Presse, der die "gemäßigte" Züchtigung empfiehlt könnte auch "gemäßigte Abwertung", "gemäßigte seelische Grausamkeit", "gemäßigte Erniedrigung" empfehlen. Schade, dass der Autor überzeugt von seiner Methode ist. In der Zwischenzeit hat er sich allerdings bereits entschuldigt wie schon zuvor der Chefredakteur der Presse.

Solche Öffentlichmachung ist übrigens eine weitere, für lange Zeit abrufbare Demütigung, die man seinem Kind besser nicht antut. Aber wüsste man um die Wertigkeit der Grenzen dieses Kindes, hätte der Artikel eine andere Botschaft vermittelt. Wenn sich dann einer, der öffentlich kritisch ist sich als Betroffener outet, ist das so wichtig wie mutig: Armin Wolf kritisierte jenen Artikel zur Züchtigung als Erziehungsmethode und beschrieb offen seine Erfahrungen als Kind züchtigender Eltern. Wie ohnmächtig, wie verschreckt sich ein solches Kind fühlt, dessen Integrität dadurch ins Wanken gebracht wird. Gewalt zerstört jenen wechselseitigen Respekt, der für gelingende Erziehung notwendig ist. Man verschafft sich keinen Respekt mit Schmerz, nur Angst und verdrängte Gegenaggression. Diese fördert weitere Gewalt.

Wolfs Beitrag wurde von G. Bauer im profil als "exibitionistische Fatwa" bezeichnet. Eine solche - nicht exibitionistische, sondern tödliche - drohte Rushdie für das Verfassen der Satanischen Verse. In den Zeilen Wolfs findet sich trotz mehrfacher Durchsicht keinerlei Aufforderung, den Verteidiger des Ohrenzieherls auszulöschen, zu verfolgen oder zu peinigen. Der Aufruf auf Gewalt zu verzichten ist weder fanatisch, noch eine Aufruf zur Gewalt oder Strafe, wie die Wortwahl "Fatwa" auch vermitteln könnte. Was an öffentlicher Aufmerksamkeit Gewalt gegenüber schlecht sein soll, erschließt sich nicht. Der folgende Shitstorm enthielt allerdings auch Drohungen. Das ist nicht Wolfs Schuld, aber so verurteilenswert wie absurd: man antwortet nicht mit Übergriffen auf erzieherische Übergriffe. Damit legitimiert man genau jene Gewalt, die man zu kritisieren vorgibt. Deren Ächtung setzt sich ohnehin nur durchmischt durch. Letzte Woche schlug eine Frau im Supermarkt ihr zweijähriges Kind heftig ins Gesicht. Ein Kunde ging dazwischen. Und noch einer. In Verteidigung der gesunden Watschn und deren segensreichen Folgen. (Julya Rabinowich, derStandard.at, 6./7./8.12.2014)