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Zauberkünstler, die im Rosengarten mit magischen Gefühlen experimentieren: Colin Firth und Emma Stone in Woody Allens neuem Film "Magic in the Moonlight".

Foto: AP/Jack English

Wien - Mit der Magie ist das so eine Sache. Entweder man vertraut auf die magischen Momente im Leben, oder man betrachtet die wundersamen Dinge als faulen Zauber. Der Unterschied liegt dabei ausnahmsweise nicht im Auge des Betrachters, sondern es ist der Glaube an das Geheimnisvolle, der die Neugierigen von den Besserwissern unterscheidet.

Von dieser besonderen Form des Glaubensstreits erzählt Woody Allens Magic in the Moonlight, der die Magie schon im Titel trägt und sich damit bereits vorab auf die eine Seite zu schlagen scheint. Das würde gut zu Allens bisherigen Arbeiten passen, die immer schon in einer verschrobenen Parallelwelt spielten, an die man wiederum als Zuschauer glauben musste, um auch ihre Figuren als glaubwürdig zu empfinden.

Andererseits vertraut Magic in the Moonlight, wie sich bald herausstellt, keineswegs selbst seiner magischen Kraft. Nichts verdeutlicht das besser als jene Szene, in der das mögliche Liebespaar dieses Films in einem Observatorium den mit Sternen und Sichelmond bestückten Nachthimmel beobachtet: Wer einen solchen märchenhaften Moment nicht erkennen kann, für den gibt die Kuppel den Blick nur zur Hälfte frei.

Nur zur Hälfte überzeugt von den magischen Fähigkeiten seiner Begleiterin ist nämlich der englische Zauberkünstler Stanley Crawford (Colin Firth), der von einem Freund an die Côte d'Azur gebeten wurde, um die junge Amerikanerin Sophie Baker (Emma Stone) als Betrügerin zu entlarven. Zu Beginn sieht man den berühm- ten Magier, wie er in einem Berliner Varieté einen seiner Auftritte als chinesischer Hexenmeister inszeniert. Man schreibt das Jahr 1928, an eine Weltwirtschaftskrise glaubt hier genauso niemand wie an den verschwundenen Elefanten oder die zersägte Frau auf der Bühne. Aber man lässt sich eben gerne blenden, das weiß der selbstgefällige Crawford am besten, der den Auftrag erst annimmt, als seine Kompetenz, der angeblichen Hellseherin auf die Schliche zu kommen, in Zweifel gezogen wird.

Auf Agatha Christies Spuren

Mit dem Schauplatzwechsel an die französische Riviera ändert sich auch der Tonfall des Films, Lärm und Hektik weichen einer trügerischen, sonnendurchfluteten Stille in einer Villa über den Klippen. In dieser ersten halben Stunde erinnert Magic in the Moonlight beinahe an einen Krimi von Agatha Christie: Nicht nur weil der detektivische Spürsinn des kühlen Briten zu wünschen übrig lässt, bleiben Bakers spiritistische Fähigkeiten ein Rätsel. Die feine Gesellschaft, bei der Sophie und ihre Mutter (Marcia Gay Harden) zu Gast sind, repräsentiert nicht nur bei den Séancen einen hermetisch abgeschlossenen Zirkel, bei dem der sich als Geschäftsmann ausgebende Crawford seine Rolle als Außenseiter zunehmend hinterfragen muss.

Dass der Film diese anfängliche Leichtigkeit nicht aufrechterhalten kann, liegt daran, dass sich dieses Spiel um Tarnung und Täuschung leerläuft, sobald der Skeptiker Crawford von der uneingestandenen Liebe zur schönen Rothaarigen heimgesucht wird - woran der Skeptiker Woody Allen offensichtlich selbst nicht glauben will. Plötzlich wird das wundersame Staunen über fliegende Kerzen und Nachrichten aus dem Jenseits von einem Übermaß an erklärenden Worten und durchsichtigen dramaturgischen Volten abgelöst.

Hier offenbart sich auch die Schwäche von Woody Allens Filmen der vergangenen Jahre. Die Kämpfe, die früher seine Figuren mit sich selbst führen mussten und die sie großartig an der Welt scheitern ließen - man denke an den zwanghaften Redeschwall seiner Antihelden und Neurotiker -, sind mittlerweile einem Wunsch gewichen, sich in ebendieser Welt einzurichten. In Magic in the Moonlight hat von der Liebe niemand eine Ahnung, weil auch Woody Allen in Wahrheit nicht an sie glaubt. Dass er es dennoch vortäuscht, ist so glaubwürdig wie ein verschwundener Elefant. (Michael Pekler, DER STANDARD, 5.12.2014)