Demnächst wird der Nationalrat ein Gesetzespaket gegen die Teilnahme von Österreichern an bewaffneten Konflikten im Ausland beschließen. Es besteht aus zwei Teilen. Der erste führt Ausreisebeschränkungen ein, entspricht den jüngsten Empfehlungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und ist eine sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung des einheimischen gewalttätigen Jihadismus. Der zweite entzieht Österreichern, die "freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes" teilnehmen, die Staatsbürgerschaft, sofern sie dadurch nicht staatenlos werden. Dieser Teil des Gesetzesvorschlags ist unsinnig und kontraproduktiv.

Die Regierungsvorlage erklärt mit keinem Wort, was mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft erreicht werden soll. Eine Denkvariante wäre, dass sie diesen für ein geeignetes Mittel der Bestrafung hält. Strafen für kriminelle Vergehen dienen der Vergeltung, der Abschreckung, der Verhinderung von Verbrechen oder aber der Resozialisierung. Nichts davon trifft hier zu.

Was will der Gesetzgeber?

Als Vergeltung für Beteiligung an den vom "Islamischen Staat" verübten Verbrechen ist der Entzug der österreichischen Staatsbürgerschaft geradezu lächerlich disproportional. Als Abschreckung ist er ineffektiv, weil Jihadisten den österreichischen Staat und seine Werte ja ohnehin zutiefst verachten. Als Mittel zur Verhinderung ist er kontraproduktiv, weil sie ja durch Blockieren der Rückkehr gerade in jene Region verbannt werden, in der sie ihre Untaten verüben. Schließlich verhindert diese Verbannung auch eine Resozialisierung reuiger Rückkehrer.

Eine zweite Deutungsmöglichkeit ist, dass durch die Verhinderung der Rückkehr von kampferprobten Jihadisten Risiken von Österreich abgewendet werden sollen. Dieses Argument verkennt jedoch die Funktion der Staatsbürgerschaft im Völkerrecht und für die Staatengemeinschaft. Die Norm der Verhinderung von Staatenlosigkeit soll dafür sorgen, dass für jeden Menschen zumindest ein Staat verantwortlich ist.

Verantwortlich für andere

Staaten sind nicht nur verantwortlich, wenn es um den Schutz der Grundrechte ihrer Bürger geht, sondern auch gegenüber anderen Staaten, wenn es um die Rücknahme von ausgewiesenen Fremden geht. Der Entzug der Staatsbürgerschaft für jene, die im Ausland Verbrechen verüben, hat den Zweck und die Wirkung, die Verantwortung für diese auf andere Staaten abzuschieben.

Wie ähnliche Projekte in Westeuropa und Kanada sieht die österreichische Gesetzesvorlage vor, dass der Entzug nur möglich sein soll, wenn keine Staatenlosigkeit entsteht, also nur für Doppelstaatsbürger. Die kanadische Rechtsprofessorin Audrey Macklin hat auf die logische Folge hingewiesen: Jeder der beiden beteiligten Staaten hat dann einen guten Grund, dem anderen bei der Ausbürgerung zuvorzukommen, um sich der Verantwortung für die Rücknahme zu entziehen.

Eine dritte Lesart der Novelle wäre, dass die Grundwerte der österreichischen Verfassungsordnung symbolisch bekräftigt werden sollen, indem jene, die sie durch ihre Taten verleugnen, von der politischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden.

Stellen Sie sich einen kurzen Augenblick lang vor, die Bundesrepublik Deutschland oder die Republik Österreich hätten irgendwann in den 1950er-Jahren beschlossen, als symbolische Geste der Verurteilung des Nationalsozialismus Adolf Hitler posthum die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Hätte das den Zweck der Bekräftigung demokratischer Werte gedient oder eher der Leugnung der Verantwortung für die eigene Vergangenheit und deren Abwälzung auf den jeweils anderen Staat?

Ob uns das gefallen mag oder nicht, für Jihadisten, die in Österreich aufgewachsen und österreichische Staatsbürger sind, ist Österreich verantwortlich, nicht nur gegenüber anderen Staaten, sondern auch gegenüber den österreichischen Bürgern. Wir bekräftigen demokratische Werte, indem wir verbrecherische Ideologien im eigenen Land bekämpfen, und nicht, indem wir sie exportieren.

Aus der Mottenkiste

Es bleibt eine vierte Interpretation: Den Regierungspolitikern geht nicht nur darum, etwas gegen den extremistischen Jihadismus zu tun, sondern auch darum, ihren Wählern zu zeigen, dass sie etwas tun. Auch wenn sie nicht wirksam ist in der Bekämpfung des Phänomens, so ist die Ausbürgerung von Jihadisten doch überaus publikumswirksam, wie es ja auch das alte Instrument der Verbannung seit dem antiken Athen und Rom bis ins späte 19. Jahrhundert war. Dieses nun aus der historischen Mottenkiste zu holen sichert möglicherweise Wählerstimmen. Ist das schon ein ausreichender Grund? (Rainer Bauböck, DER STANDARD, 4.12.2014)