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Viele Besuche bei Gynäkologinnen, im Bild eine Ultraschalluntersuchung, werden bei Wahlärztinnen durchgeführt. Darauf weist laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger die große Zahl an Rechnungen hin.

Foto: dpa/Pleul

Wien – Dürfen Frauen in Österreich bei der Vergabe von Gynäkologie-Kassenstellen gegenüber Männern bevorzugt werden? Derzeit ja. Ob das verfassungskonform ist, diese Frage beschäftigte am Mittwoch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bei einer öffentlichen Sitzung in Wien.

Ein Salzburger Gynäkologe hatte die Ärztekammer Salzburg geklagt, da er bei der Bewerbung um eine Kassenstelle einer Kollegin knapp unterlegen war. Seit dem Jahr 2009 gibt es in Österreich eine Verordnung, welche im Falle von Bewerbungen um eine Kassenstelle für Gynäkologie vorsieht, dass die "durch das weibliche Geschlecht zusätzlich vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit" besonders zu berücksichtigen ist.

Mehr Punkte für Frauen

Im konkreten Fall wurden im Zuge eines Auswahlverfahrens, das die Landesärztekammer und die Gebietskrankenkasse erarbeitet hatten, in verschiedenen Kategorien insgesamt 75 Punkte vergeben. Bewerberinnen konnten noch bis zu 7,5 Punkte zusätzlich erhalten. Der Kläger gibt an, in fast allen Kategorien nahezu die Maximalpunktezahl erreicht zu haben. Eine Gynäkologin habe bei Besetzung der Kassenstelle nur einen Punkt mehr erreicht und dann die Stelle erhalten. Der Arzt klagte die Ärztekammer, und das Landesgericht Salzburg beantragte beim Verfassungsgerichtshof, die Bestimmung zur Bevorzugung von Frauen aus gleichheitsrechtlichen Gründen aufzuheben.

Keine Kassengynäkologin in Kärnten

Als die Regelung erlassen wurde, gab es in Kärnten nach Angaben des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger keine einzige Kassenärztin für Frauenheilkunde und nur wenige in den Bundesländern Steiermark (8,8 Prozent), Tirol (10 Prozent) und Salzburg (11,1 Prozent). Österreichweit lag der Schnitt bei 16,7 Prozent.

Außerdem betrifft ein Drittel aller Wahlarztrechnungen Besuche in Gynäkologie-Praxen, und 62,5 Prozent davon seien Rechnungen von Wahlärztinnen der Frauenheilkunde. "Das zeigt: Wir brauchen mehr Vertragsgynäkologinnen", sagte Johannes Gregorisch vom Hauptverband beim VfGH.

Ärzte mit "Hemmungen"

Gerhard Aigner, Sektionschef im Gesundheitsministerium betonte, dass bei der Bevorzugung keine Unverhältnismäßigkeit gegeben sei. Man habe einen Versorgungsauftrag zu erfüllen und niederschwellige Angebote zu schaffen. Es gebe bei männlichen Gynäkologen Hemmungen, Fragen nach der Sexualität zu stellen, und Ärztinnen würden sich zudem mehr in Richtung Präventivmedizin engagieren, argumentierte das Gesundheitsministerium weiter.

Gernot Herzog, Anwalt des Klägers, wollte wiederum wissen, wenn Frauen die besseren Ärztinnen seien, warum das dann nur für die Gynäkologie gelte – und nicht beispielsweise auch im Fach Urologie ein Thema sei, wo Frauen auch "Intimteile" herzeigen müssten. Herzog wies darauf hin, dass der Frauenanteil im Fach soundso von selbst wachsen werde, da mehr als die Hälfte der Medizinstudierenden weiblich ist.

Die Entscheidung des VfGH in der Causa steht noch aus. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 4.12.2014)