Angefangen hat eigentlich Reinhold Mitterlehner. Knapp nach seiner Wahl zum ÖVP-Obmann sagte er, wenn die Regierung keine Steuerreform zusammenbringe, habe die Koalition nicht mehr viel Sinn. Das war ein taktischer Schachzug, um die SPÖ unter Druck zu setzen. Seit Faymanns mäßigem Abschneiden am Parteitag versuchen nun einzelne SPÖ-Granden, den Spieß umzudrehen. Der Wiener Häupl und der Burgenländer Niessl tönen: "Steuerrefom oder Neuwahlen!"

Natürlich haben weder SPÖ noch ÖVP Geld und eine echte Motivation für Neuwahlen. Häupl und Niessl wollen mit Faymann, der gerade ziemlich beschädigt wurde, im Frühsommer in vorzeitige Wahlen gehen? Viel Glück. Die ÖVP hat zwar momentan einen leichten Vorteil - gute Umfragewerte für Mitterlehner -, aber wie lange das hält, ist fraglich. Sinnvoll wäre ein Forcieren von Neuwahlen durch die ÖVP nur dann, wenn in der Bevölkerung ein genereller Stimmungswandel feststellbar wäre: Überdruss mit der Kanzlerpartei SPÖ, die mit den Herausforderungen der neuen Zeit nicht zurechtkommt; und ein Vertrauensbonus für die ÖVP, mit der Krise (neue Rezession?) besser fertigzuwerden. Danach sieht es aber (noch?) nicht aus.

Allerdings kann es passieren, dass die beiden Regierungsparteien trotzdem in Neuwahlen stolpern, weil sie in Sachen Steuersenkung derzeit und auf Sicht miteinander völlig unvereinbare Positionen einnehmen. Die SPÖ hat sich unter dem Druck der Gewerkschaft komplett auf einen saftigen Satz von Eigentumssteuern einbetoniert: Vermögenssubstanzsteuer (ab eine Million Vermögen), Erbschafts-und Schenkungssteuer (nach letztem Stand ebenfalls ab einer Million). Da kommt sie, da kommt Faymann nicht mehr herunter - es sei denn, er will eh zurücktreten.

Auf der anderen Seite lehnt die ÖVP, lehnt Reinhold Mitterlehner (weitere) Eigentumssteuern klar ab ("weitere" deshalb, weil seit zwei Jahren ja auch Wertzuwächse bei Aktien bzw. Immobilien besteuert werden). Manche wollen keine komplette Ablehnung aus seinen Äußerungen heraushören. Aber wenn die ÖVP etwa bei der Erbschaftssteuer oder auch einer Vermögenssubstanzsteuer die (mittlere und obere) Mittelschicht in Stich lässt, kann sie sich von dieser Kernwählerschaft gleich verabschieden.

Wenn man manche Mitterlehner-Äußerungen einer Exegese unterzieht, dann könnte man mit viel Einfühlungsvermögen herauslesen, dass er bei den Vermögenssteuern etwas nachgeben könnte, wenn es bei anderen großen Themen - Stichwort Pensionen - substanzielle Zugeständnisse der SPÖ gibt. Sozusagen als Opfer für wirkliche Reformen.

Das sind aber lediglich relativ kühne Interpretationen. Realistisch gesehen, halten die beiden Regierungsparteien in der Frage der Steuersenkung an völlig unvereinbaren Positionen fest, die noch dazu im Fall der SPÖ ideologisch aufgeladen sind. Wie da eine Einigung zustandekommen soll, ist nach wie vor rätselhaft.

Und wie eine Koalitionsregierung da irgendwie auf einen grünen Zweig kommen soll, ist es ebenfalls. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 3.12.2014)