Ein Grübler muss erst einmal motiviert werden: Christoph Waltz ohne Haupthaar als Qohen Leth und David Thewlis mit Toupet als sein beflissener Arbeitskollege Joby in "The Zero Theorem".

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Regisseur und Filmweltenbastler: Terry Gilliam.

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Wien - In einer schrillen Zukunft, die allgegenwärtig flimmernde Displays prägen, sucht man noch immer nach dem Sinn des Lebens. Bis der in dieser Hinsicht entscheidende Anruf kommt, wird ein einsamer Bildschirmarbeiter namens Qohen Leth dafür abgestellt, mit Hilfe eines Supercomputers das sogenannte Zero-Theorem zu lösen. Abgelenkt wird er dabei nicht nur von einer personifizierten Männerfantasie namens Bainsley (Mélanie Thierry). Gegen erzählerische Volten und die beziehungsvoll angeräumte Szenerie anzukommen, das ist selbst für den zweifachen Oscar-Preisträger Christoph Waltz, der die Hauptrolle spielt, nicht leicht. Regisseur Terry Gilliam (Brazil, Twelve Monkeys) hat schließlich auch bei seiner jüngsten Science-Fiction-Farce The Zero Theorem viel Wert auf die eigenwillig-eklektizistische Ausstattung gelegt.

STANDARD: Das Offensichtlichste zuerst: Wie sind Sie auf Christoph Waltz aufmerksam geworden?

Gilliam: So wie alle anderen auch - in Inglourious Basterds! Wirklich gesehen habe ich ihn dann bei den Bafta-Awards, den britischen Filmpreisen, in London. Er hat eine große darstellerische Bandbreite, kann furchterregend sein und ebenso komisch.

STANDARD: Er musste sich für die Rolle außerdem kahlrasieren - wieso?

Gilliam: Das stand so im Skript. Ich habe also gesagt: runter mit den Haaren und Augenbrauen. Wir haben das aber zuerst mit Photoshop ausprobiert. Man hatte mir ja vorher schon eine Reihe Schauspieler zugeführt, mit denen habe ich das auch getestet. Aber Christoph sah ohne Haare einfach so mächtig und verwundbar zugleich aus.

STANDARD: Mussten Sie ihn überreden?

Gilliam: Nein, er wollte das auch. Wir haben uns zuerst einmal zum Essen verabredet, uns unterhalten und einfach festgestellt, dass wir zusammenarbeiten möchten.

STANDARD: Sie haben Photoshop erwähnt, Waltz gab seine Interviews zur Premiere in Venedig via Skype aus Hawaii. Ihr Film übt Kritik am zeitgenössischen Medienverbund - zugleich nutzen Sie diese Technologien. Wie gehen Sie mit diesen Widersprüchen und Ambivalenzen um?

Gilliam: Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, stelle aber manches infrage. Zum Beispiel die Tatsache, dass wir den Moment nicht mehr leben, sondern stattdessen unentwegt kommentieren - etwa indem wir Twitter verwenden. Grundsätzlich übernehme ich das, was mir Möglichkeiten eröffnet. Aber ich will mich nicht von der Technologie einschränken oder mir Dinge vorschreiben lassen. So wie es ja heutzutage schon als ungehörig gilt, wenn man nicht in der Sekunde auf etwas antwortet.

STANDARD: Sie haben den Film aus Kostengründen in Bukarest gedreht. Unter anderem haben Sie Ihre Ausstattung dann am chinesischen Markt außerhalb der Stadt gekauft ...

Gilliam: Ja, mein Kostümbildner Carlo Poggioli hat dort diese tollen synthetischen Stoffe gefunden. Er hat sie nicht nach Laufmeter, sondern zum Kilopreis erworben. Wir haben auch Duschvorhänge und durchsichtige Tischdecken verwendet.

STANDARD: Mussten Sie Ihre Entwürfe dafür adaptieren?

Gilliam: Es gab vor Bukarest noch kein Konzept. Ich lasse mich natürlich von allen möglichen Dingen anregen. Kennen Sie den deutschen Maler Neo Rauch? Seine Form der Collage inspiriert mich zum Beispiel - wie er die Wirklichkeit aufbricht und verschiedene Epochen zusammenbringt.

STANDARD: Wie weit sind Sie selbst ins Produktionsdesign involviert?

Gilliam: Zum einen arbeite ich schon lange mit denselben Leuten. Zum anderen ist die Art, wie ich Filme mache, generell ein kollaborativer Prozess. Keiner ist isoliert, jeder bringt seine Talente ein. Manchmal werde ich fälschlicherweise von Kritikern als "Auteur" bezeichnet. Ich sage dann: Ich bin kein "Auteur", sondern ein "Filteur".

STANDARD: Ich nehme an, Sie haben den Film digital gedreht?

Gilliam: Nein.

STANDARD: Auf 35 mm?

Gilliam: Es handelt sich um das erste Werk im "one size fits all full frame semi vinyl"-Filmformat. Wissen Sie, was das ist?

STANDARD: Das haben Sie gerade erfunden?

Gilliam: Nein. Ich erkläre es Ihnen Schritt für Schritt: "one size fits all" bezieht sich aufs 16:9-Format, das kennt man ja vom Fernsehen. "Full frame" hat einen filmgeschichtlichen Bezug - und zwar spielt es auf diese abgerundeten Ecken des Filmbildes an, die Sie bei uns auch feststellen können. Und "semi vinyl" soll sagen, dass ich mit Film und mit CGI, also digital generierten Bildern, gearbeitet habe. Alles klar? (kichert) (Isabella Reicher, DER STANDARD, 3.12.2014)