Brüssel - In der umkämpften Ostukraine gibt es erstmals seit Monaten wieder Zeichen der Entspannung. Ukrainische Regierung und prorussische Separatisten einigten sind laut OSZE auf eine Waffenruhe in der abtrünnigen Region Luhansk (Lugansk), und auch für den Flughafen Donezk verkündeten die Rebellen eine Feuerpause. Die NATO beschloss unterdessen, ihre neue schnelle Eingreiftruppe ab Anfang 2015 aufzubauen.

In einer Erklärung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Waffenruhe in der Region Luhansk hieß es am Montagabend, auch die russische Seite habe "dem Prinzip einer vollständigen Feuerpause an der Frontlinie ab dem 5. Dezember" zugestimmt. Ab Samstag sollen die schweren Waffen abgezogen werden.

"Es wird weiter geschossen"

Separatistenführer Igor Plotnizki bestätigte die OSZE-Angaben am Dienstag. Ein Sprecher des ukrainischen Militärs sagte hingegen, er habe keine Informationen über eine Einigung. "Es wird weiter geschossen", sagte Andrej Lyssenko der Nachrichtenagentur AFP.

Separatistenführer Andrej Purgin gab bekannt, dass sich Regierungstruppen und Rebellen auch auf eine Feuerpause für den seit Monaten umkämpften Flughafen von Donezk verständigt hätten. Die Waffenruhe sollte ab dem Abend in Kraft treten. Zuvor hatten die Rebellen erklärt, für die umkämpfte Region Donezk insgesamt sollten am Dienstagnachmittag Verhandlungen über eine breit angelegte Feuerpause starten.

Am 5. September war im weißrussischen Minsk unter OSZE-Vermittlung eine Waffenruhe sowie der Rückzug schwerer Waffen vereinbart worden. Doch wurde die Feuerpause fast täglich gebrochen, mehr als tausend Menschen wurden getötet. Die schwersten Kämpfe gab es seither um den internationalen Flughafen Donezk, der weiter von den Regierungstruppen gehalten wurde.

Die NATO-Außenminister warfen bei ihrem Treffen in Brüssel Russland erneut vor, "bewusst den Osten der Ukraine zu destabilisieren". Sie forderten Moskau auf, "seinen Einfluss auf die Separatisten zu nutzen, um ein Ende ihrer Angriffe sicherzustellen" und den in Minsk vereinbarten Waffenstillstand durchzusetzen. Zudem müsse Russland eigene Truppen und Militärgerät aus der Ukraine und der Grenzregion zurückzuziehen.

Die NATO unterstützt die Ukraine fortan auch bei der Modernisierung ihres Militärs. Vier Treuhandfonds und dazugehörige Projekte seien nun "einsatzbereit", erklärte das Bündnis. Kiew erhält Geld insbesondere für die Modernisierung von Kommunikation, Logistik, Cyber-Abwehr und der Versorgen von verletzen Soldaten.

Die Außenminister der Allianz beschlossen auch, die neue Eingreiftruppe der Allianz ab Anfang 2015 aufzubauen. Sie war vom NATO-Gipfel Anfang September vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise beschlossen worden. Der Konflikt hat in den östlichen Bündnisländern Ängste vor einer Bedrohung durch Russland geweckt.

Die Truppe soll künftig binnen zwei bis fünf Tagen in Krisengebiete entsandt werden und wird im kommenden Jahr vor allem mit Truppen aus Deutschland, den Niederlanden und Norwegen schrittweise gebildet. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, er gehe davon aus, dass die neue Truppe 2016 voll einsatzbereit sein werde. "Es ist die größte Stärkung unserer gemeinsamen Verteidigung seit Ende des Kalten Kriegs", so Stoltenberg.

Die NATO wirft Russland "aggressives Verhalten" gegen die Ukraine vor und befürchtet ähnliches Vorgehen auch gegen Mitglieder der Allianz im östlichen Mitteleuropa. Stoltenberg gab Moskau die alleinige Schuld für die brüchige Waffenruhe in der Ostukraine. Die Regierung in Kiew habe sich ehrlich bemüht, sie einzuhalten. "Russland und die Separatisten haben dies nicht getan", sagte der Generalsekretär.

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warb in Brüssel auch dafür, einen Gesprächskanal zu Moskau offenzulassen. Er schlug ein Gremium der NATO und Russlands vor, das bei auftretenden Spannungen wie Luftraumverletzungen schnell zusammentreten könne, um eine Eskalation zu verhindern. Er sprach von einem derzeitigen "Zustand der Kontaktlosigkeit", den es selbst im Kalten Krieg nicht gegeben habe.

Die NATO hatte ihre militärische Zusammenarbeit mit Russland nach der Annexion der Krim im April ausgesetzt. Auch der NATO-Russland-Rat kam seit Juni nicht mehr zusammen. Steinmeier räumte aber ein, er wisse nicht, ob sein Vorschlag Chancen auf Erfolg habe. Dem Vernehmen nach lehnen unter anderem Polen und die Baltischen Staaten den Plan ab. (APA, 2.12.2014)