Ich bin selbst zugegebenermaßen kein großer Fan von Werner Faymann. Dennoch hat mich das miserable Ergebnis für den SPÖ-Chef beim Bundesparteitag unglücklich gemacht. Hier ist eine Regierungspartei, in der sich eine gewichtige Minderheit entscheidet, in einer kritischen Phase für die Partei und die Regierung ihren Chef zu schwächen.

Warum? Was ging in den 95 Parteitagsdelegierten vor, die Faymann am Freitagabend gestrichen haben? Wollten sie bloß – ähnlich wie der typische FPÖ-Wähler – ihren Frust über die Partei, die Regierung und die Welt an sich loswerden?

Wenn sie ihn loswerden wollten, weil sie ihn nicht mögen, hätten sie einen anderen Kandidaten ins Spiel bringen müssen. Das war nicht der Fall.

Linkere Handschrift? Das Gegenteil erreicht

Wenn sie die Regierung zu einer linkeren Handschrift drängen wollten, dann haben sie jetzt das Gegenteil erreicht. Denn der SP-Chef ist gegenüber "Mr. 99 Prozent" Reinhold Mitterlehner stark geschwächt. Und da er keine Alternative zur VP-Koalition in der Hand hat, hat die ÖVP in den kommenden Verhandlungen nun die besseren Karten.

Dies gilt vor allem für die Steuerreform. Die SPÖ möchte eine massive Steuerentlastung von mindestens sechs Milliarden Euro – vereinbart mit der ÖVP sind aber höchstens fünf Milliarden – gegenfinanziert durch Vermögenssteuern.

Mitterlehner hat Vermögenssteuern so gut wie ausgeschlossen – aber nicht ganz. In einer spannenden Passage im jüngsten Falter-Interview mit Barbara Toth (leider nicht online) machte Mitterlehner klar, dass er selbst kein Problem mit Vermögenssteuern hätte, dies aber aus innerparteilichen Gründen nicht akzeptieren kann. Als Folge von "klassischen Verhandlungen" könne es daher keine solchen Steuern geben.

Großer Abtausch wäre möglich

Die Botschaft: In einem wirklich großen, "unklassischen" Abtausch von Positionen wäre er zu Vermögenssteuern im Rahmen einer großen Steuerreform bereit. Aber dafür müsste die SPÖ selbst einige heilige Kühe schlachten, etwa die ungeliebte Pensionsautomatik akzeptieren, eine frühere Anhebung des Frauenpensionsalters, oder eine massive Streichung von Steuerausnahmen für Arbeitnehmern.

Eine starker SP-Chef könnte dies anbieten und rechtfertigen. Faymann kann es nach diesem Ergebnis nicht.

Damit sind die Verhandlungen zu einer umfassenden Steuerreform praktisch zum Scheitern verurteilt. Entweder es kommt gar nichts heraus – dann ist die Koalition am Ende. Oder man einigt sich doch auf eine Mini-Reform mit einer Senkung des Eingangssteuersatzes, die vielleicht zwei Milliarden Euro an Entlastung bringen würde.

Zufrieden wäre damit niemand, am wenigsten die Faymann-Kritiker in der SPÖ. Aber offenbar war es ihnen wichtiger, ihren Rotz herauszulassen als Politik zu gestalten. Das ist kein gutes Omen für Österreichs immer noch größte Partei. (Eric Frey, derStandard.at, 30.11.2014)