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Vereinzelte Proteste gegen den Freispruch für Hosni Mubarak gab es am Sonntag an Universitäten in Kairo.

Foto: REUTERS/Amr Abdallah Dalsh

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Proteste in Kairo.

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Auch am Sonntag nach der Einstellung des Verfahrens gegen Ägyptens Expräsident Hosni Mubarak blieb der Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo für den Verkehr geschlossen und von einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften abgeriegelt. Im Lauf des Tages hatte es neue Kundgebungen an einigen Universitäten gegen die Absolution gegeben, die das Gericht dem Expräsidenten für den Tod von mehr als 800 Demonstranten bei den Protesten im Frühjahr 2011 erteilt hatte. Am Samstagabend hatten 3000 Menschen – fast ausschließlich junge Männer – gegen den Freispruch protestiert.

Viele ihrer Slogans erinnerten an die Tage der Revolution im Jänner 2011, etwa der Ruf "badil", ungültig. Sie verlangten, dass die "Märtyrer der Revolution" gesühnt werden. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Menge zu zerstreuen. Dabei gab es zwei Tote und mindestens neun Verletzte.

Das Urteil von Richter Mahmoud Kamal al-Rashidi war vor allem für die Familien der über 800 Toten ein Schock, obwohl ein Freispruch von vielen Beobachtern vorausgesagt worden war. Für den wichtigsten Anklagepunkt gegen Mubarak, die Verantwortung für die Schüsse auf die De monstranten während der Revolution, erklärte sich das Gericht für gar nicht zuständig.

"Urteilen muss die Geschichte"

Ein Strafgericht sei nicht geeignet, über die Verantwortung des Staatsoberhauptes zu richten, das müsse die Geschichte tun, erklärte Rashidi. In allen anderen Punkten, etwa Korruption, wurden Mubarak und dessen Söhne Alaa und Gamal freigesprochen. Ex-Innenminister Habib al-Adli und sechs hohen Polizeioffizieren gab der Richter ebenfalls keine Schuld an den Todesschüssen.

Kurz nach seinem Freispruch erklärte Mubarak einer lokalen TV-Station, er habe nie etwas Schlechtes getan. Seine Verteidiger gehen davon aus, dass er schon bald ein freier Mann ist, da der 86-Jährige zwei Drittel einer dreijährigen Haftstrafe aus einem Veruntreuungsprozess abgesessen hat. Wegen schlechter Gesundheit weilt er in einem Militärspital.

Euphorie in Polizeistationen

Offizielle Stellen hielten sich mit Kommentaren zurück, nur in den Polizeistationen herrschte Euphorie. Das Urteil gibt den Sicherheitskräften die Gewissheit, dass sie vor Strafverfolgung geschützt sind. Ihr Verhalten dürfte noch aggressiver werden. Klar ist nun auch, dass für die 1400 Toten bei der blutigen Auflösung der Muslimbruder-Protestcamps im Sommer 2013 niemand zur Rechenschaft gezogen wird. In der offiziellen Sicht tragen die Muslimbrüder dafür selbst die Schuld.

Die meiste Kritik an Mubaraks Freispruch war im Netz zu lesen. Menschenrechtsorganisationen appellierten an Generalstaatsanwalt Hisham Barakat, Berufung einzulegen. Vertreter liberaler Gruppen kündigten an, sie würden neue Verfahren anstrengen. Revoluti onsgruppen wollten am Sonntag darüber beraten, wie sie nach dieser erneuten Niederlage weiter vorgehen wollen.

Die Jugendorganisation 6. April, Mitinitiatorin des Umsturzes gegen Mubarak, befand, der Spruch stelle die Ordnung von vor 2011 wieder her.

Trotz des Freispruches werden Mubarak und seine Söhne nicht in politische Ämter zurückkehren. Aber die Kader aus der zweiten Reihe der Ex-Regierungspartei dürften ihre Zurückhaltung ablegen und bei kommenden Wahlen eine wichtige Rolle spielen. Die Golfstaaten – generöse finanzielle Förderer al-Sisis – hatten vor dem Prozess ebenfalls auf eine baldige Freilassung Mubaraks und seiner Getreuen gedrängt. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 1.12.2014)