Die Rüge, die Österreich von der EU-Kommission wegen eines zu laschen Defizitabbaus erhält, kann Finanzminister Hans Jörg Schelling verschmerzen. Unter allen aktuellen ökonomischen Leiden sind die Budgetprobleme die geringsten.

Schlimmer ist die Tatsache, dass Österreich von einem Wachstumsprimus in Europa immer mehr zum Nachzügler wird - vor allem gegenüber Deutschland. Ob sich das Land in einer Rezession oder "nur" in einer Stagnation befindet, ist unbedeutend. Klar ist, dass die Dynamik, die mit der Ostöffnung vor rund 20 Jahren eingesetzt hat, verpufft ist. Italien liegt näher als Schweden - nicht nur geografisch.

Viele Faktoren sind daran schuld, auch solche, die sich nicht beeinflussen lassen. Aber entscheidend ist, dass so viele Potenziale nicht gehoben werden: Unternehmen werden nicht gegründet, weil der Mut und die Finanzierung fehlen; junge Menschen lernen nicht die Fähigkeiten, die sie für den Erfolg im Arbeitsleben benötigen. Vor allem gehen zu viele gut qualifizierte Arbeitskräfte in Pension, die noch jahrelang produktiv sein könnten. Daran sind Betriebe genauso schuld wie die Gewerkschaften, die das Recht auf Frühpension mit aller Kraft verteidigen - und die Regierungspartei SPÖ auf ihre Seite ziehen.

Derzeit wird alles von der Steuerreform und Verteilungsfragen überschattet. Wichtiger wäre eine nationale Kraftanstrengung, um auf einen Wachstumspfad zurückzukehren. (Eric Frey, DER STANDARD, 29.11.2014)