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Das Glück ist ein Vogerl, soviel ist bekannt.

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Genaueres weiß Karlheinz Ruckriegel: "Wer dem Geld zu viel Bedeutung beimisst, wird dessen Sklave."

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STANDARD: Glücksforschung ist in den vergangenen Jahren auch in den Fokus der Volkswirtschaft gerückt. Eine Modeerscheinung?

Ruckriegel: Nein. Man ist aufs Wesentliche zurückgekommen. Wie es zum Beispiel der Ex-Chef der US-Zentralbank, Ben Bernanke, 2012 formulierte: "Letztlich geht es bei der Ökonomik um die Frage des Wohlbefindens."

STANDARD: Welche Rolle spielt Geld und Vermögen beim Glücklichsein?

Ruckriegel: Geld ist prinzipiell ein Mittel zum Zweck. Eine materielle Absicherung muss gewährleistet sein. Wer dem Geld jedoch zu viel Bedeutung beimisst, wird dessen Sklave.

STANDARD: Reiche Menschen wie Bill Gates, Warren Buffet oder Carlos Slim machen aber keinen unglücklichen Eindruck.

Ruckriegel: Das mag sein. Aber trotz ihres Vermögens sind sie auch nicht glücklicher als viele andere Menschen. Und zumindest Gates und Buffet schenken das meiste Geld letztlich wieder her.

STANDARD: Genügend Geld zu haben hat aber schon etwas Beruhigendes - zumindest für mich.

Ruckriegel: Bis zu einem gewissen Niveau trifft das ja auch zu. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und der Befriedigung der materiellen Grundbedürfnisse. Hat man aber genug Einkommen, um die materiellen Grundbedürfnisse abzudecken, ist ab dann für den einzelnen weniger das absolute Einkommen wichtig, sondern vielmehr das relative Einkommen entscheidend. Man beginnt, sich mit anderen Menschen zu vergleichen, und wird dadurch womöglich unzufrieden. Zum anderen passen sich die Ansprüche und Ziele an die tatsächliche Entwicklung an. Das heißt, mit steigendem Einkommen steigen auch die Ansprüche, sodass daraus kein größeres Wohlbefinden mehr erwächst. Man spricht dann von der sogenannten hedonistischen Tretmühle.

STANDARD: Schaut man in die Wirtschaftswelt, geht es letztendlich aber doch ums Mehr - ums Wachstum. Die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP) gilt als wichtigster Faktor, um wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu messen.

Ruckriegel: Die Fixierung auf das Wachstum als alleinige Größe ist in der Wirtschaft und Politik auch rückläufig. Denn zunehmend fließen auch Erkenntnisse aus der Glücksforschung in die Arbeit von Institutionen wie Uno, EU oder OECD ein. So gibt es seit 2012 beispielsweise den jährlich erscheinenden World Happiness Report der Uno. Die OECD hat einen "Better Life Index" mit elf Indikatoren erarbeitet, der abseits nackter Wirtschaftszahlen das gesellschaftliche Wohlergehen abbilden soll. Zunehmend wichtiger werden auch Gesundheit, Bildung, aber auch der Gemeinsinn sowie die Vereinbarung von Berufs- und Privatleben.

STANDARD: Bei diesem OECD-Glücksindex liegen Länder wie Norwegen, Dänemark, Schweiz, die Niederlande, Schweden auf den Topplätzen - allesamt reiche Länder.

Ruckriegel: Dass die dort lebenden Menschen glücklicher sind als jene in anderen Ländern, liegt aber unter anderem an den geringeren Einkommensunterschieden und einer flachen gesellschaftlichen Hierarchie.

STANDARD: Das ist aber alles kein Trost für Menschen, die wenig verdienen und arm sind.

Ruckriegel: Das ist eine Frage der richtigen Verteilung. Die Unternehmensgewinne sind über die Jahre gestiegen, die Löhne im Vergleich dazu jedoch kaum. Und es kann nicht sein, dass ein Zimmermädchen im Fünf-Sterne-Hotel drei Euro die Stunde bekommt, was vor einiger Zeit aus Berlin berichtet worden ist. Der Mindestlohn ist hier ein Anfang. Wir müssen in Zukunft diese Verteilungsfragen viel mehr im Auge haben. Der Better Life Index der OECD legt hierauf auch ein starkes Gewicht.

STANDARD: Wenn Geld fürs Glücklichsein nicht so wichtig ist, was ist es dann?

Ruckriegel: Die Glücksforschung unterscheidet zwischen emotionalem und kognitivem Wohlbefinden. Es geht also einerseits um die Frage des Verhältnisses zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt und andererseits um die Frage der Zufriedenheit mit dem Leben. Die Glücksforscher haben sechs Faktoren herausgearbeitet, die das Glück maßgeblich beeinflussen. Am wichtigsten sind soziale Beziehungen. An zweiter Stelle kommt die Gesundheit, gefolgt von einer befriedigenden Tätigkeit, womit nicht nur die Arbeit gemeint ist. Wenn ich 24 Stunden am Tag arbeite, um ein hohes Einkommen zu erzielen, dann fehlt mir die Zeit für soziale Beziehungen. Echte soziale Beziehungen lassen sich nicht kaufen.

STANDARD: Zeit ist Geld ...

Ruckriegel: Aufgabe der Ökonomie ist es, knappe Ressourcen so einzusetzen, dass ein hoher Output erzielt werden kann. Die knappe Ressource für Menschen ist Zeit, der Output ist ein gelungenes, glückliches Leben. Wichtig ist auch eine gute Work-Life-Balance des Einzelnen, von der letztlich die ganze Wirtschaft profitiert: Denn ausgeglichene Mitarbeiter leisten bessere Arbeit, sind seltener krank und dem Unternehmen gegenüber loyal.

STANDARD: Lassen sich Glücklichsein und Zufriedenheit erlernen?

Ruckriegel: Ja. Etwa indem wir positiven Gefühlen mehr Platz in unserem Leben einräumen. Zum Beispiel, indem wir regelmäßig in einem Dankbarkeitstagebuch das festhalten, was uns gutgetan und gefallen hat. (Karin Tzschentke, Portfolio, DER STANDARD, 2014)