Klagenfurt/Wien - Berndt Schaflechner, Leiter des Zementwerks Wietersdorf im Kärntner Görtschitztal, hat in einer Aussendung am Freitagabend zugegeben, von der Belastung mit HCB (Hexachlorbenzol) des in seinem Werk verarbeiteten Blaukalks gewusst zu haben. Emissionen des Werks sind mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine grenzwertüberschreitende Belastung von Milch mit dem Umweltgift verantwortlich.
Im Gespräch mit der APA hatte Schaflechner noch am Donnerstag auf die Frage, wie das HCB aus dem Kalk in die Umwelt geraten konnte, geantwortet: "Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt." Nun gab er schriftlich an, lediglich von den HCB-Emissionen durch sein Werk nichts gewusst zu haben. "Wir hatten keine Vorschreibung, das HCB zu messen", sagte er am Freitag. "Im Bescheid ist HCB nicht erwähnt." Der Bescheid genehmigte die Verarbeitung des aus einer Deponie eines Werks der Donauchemie stammenden Blaukalks.
Erst im Zuge der nun durchgeführten Untersuchungen habe sich herausgestellt, "dass Blaukalk an einer für HCB-Emissionen hinsichtlich Temperatur nicht optimalen Stelle eingebracht wurde", so Schaflechner. Fragen zum Inhalt und zu Vorschriften der dem Bescheid zugehörigen Projektbeschreibung beantwortete der Werksleiter nicht. Auch die Frage, ob er gewusst habe, dass der belastete Blaukalk mit mindestens 800 Grad verbrannt werden muss, um HCB-Emissionen zu vermeiden, beantwortete Schaflechner nicht.
Bauern bekommen weiter ihr Geld
Die 35 Milchbauern aus dem Kärntner Görtschitztal, deren Rohmilch durch das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) verseucht sein könnte, bekommen weiter ihr Milchgeld. Das sagte eine Sprecherin von Agrarlandesrat Christian Benger (ÖVP) am Freitag. Die Milch - bis zu 10.000 Liter täglich - wird auch weiter alle zwei Tage abgeholt, dann jedoch vernichtet.
Ebenfalls vernichtet werden die eingelagerten Futtermittel der Bauern. Über die Futtermittelbörse der Landwirtschaftskammer sollen die Bauern und ihre Kühe dann mit sauberem Futter versorgt werden. Benger, Landwirtschaftskammerpräsident Johann Mößler und Landesveterinär Holger Remer sind am Freitag ins Görtschitztal gefahren, um die Bauern der Region über das weitere Vorgehen zu informieren. Wenn die Milchkühe wieder mit sauberem Futter versorgt werden, baut sich das HCB im Körper ab. "Innerhalb von 14 Tagen wird das HCB in der Milchkuh abgebaut und ist weg, in der Milch nicht mehr nachweisbar", sagte Sprecherin Gerlind Robitsch.
Fleisch wird getestet
In der Region gibt es nicht nur Milchbauern. Auch 260 Fleischbetriebe sind im Görtschitztal angesiedelt. Robitsch: "Sobald ein Bauer etwas schlachtet, wird es zurückgehalten bis Kontrollergebnisse da sind." Weil Fleisch länger haltbar ist als Milch, wird es nicht sofort wegen des Verdachts der Kontaminierung vernichtet. Es werden Proben gezogen, das Fleisch wird eingelagert bis Kontrollergebnisse da sind.
Ob das Fleisch noch verkauft wird, wenn das HCB zwar unter dem Grenzwert liegt, aber nachweisbar ist, ist laut Robitsch noch offen. "Das ist auch eine Frage der Kosten, das Fleisch gilt dann ja als unbedenklich." Die Verantwortlichen des aller Wahrscheinlichkeit nach für die Kontaminierung verantwortlichen Zementwerks Wietersdorf hätten zwar Bereitschaft zum Schadenersatz gezeigt, dennoch könne man nicht sagen, wie schnell das Geld an die Bauern fließen werde.
Wenn den zur Fleischproduktion gehaltenen Kühen wieder sauberes Futter gegeben wird, dauert es länger als bei Milchkühen, bis kein HCB mehr nachweisbar ist: Mindestens zwei Monate, abhängig vom Fettgehalt.
Verwaltungsstrafverfahren gegen Zementwerk
In der Landesregierung ging unterdessen die Aufarbeitung der Vorkommnisse und Informationsflüsse weiter. Albert Kreiner, Leiter der Abteilung Wirtschaftsrecht und Infrastruktur in der Landesregierung, bestätigte der APA Medienberichte, wonach auch ein Verwaltungsstrafverfahren gegen das Zementwerk Wietersdorf eingeleitet worden sei. Das Verfahren wurde am Dienstag eingeleitet.
Kreiner sagte, in dem Zementwerk habe es zweimal jährlich Kontrollen bei den Emissionen gegeben. Dabei werden aber Gruppen von Schadstoffen geprüft, weil es insgesamt so viele verschiedene Umweltgifte gibt. "Die Grenzwerte für die dioxinhaltigen Stoffe sind immer eingehalten worden", so Kreiner. Direkt nach HCB wurde nicht gesucht, weil kein Verdacht bestanden habe. Der Betrieb sei von den Emissionen her so "gut" gewesen, dass eine Verschiebung innerhalb der Stoffgruppe nicht aufgefallen sei. Inzwischen besteht der Verdacht, dass im Ofensystem des Werks "an falscher Stelle mehr (belasteter Blaukalk, Anm.) eingebracht wurde, als bewilligt". Kreiner: "Vor Fehlverhalten von Unternehmen ist man nie gefeit."
Manche Stellen in der Landesregierung wussten bereits im März von einem zumindest latenten HCB-Problem im Görtschitztal rund um das Zementwerk. Untersuchungen, ob die Blaukalkverwertung tatsächlich die Ursache der Kontaminierung im Görtschitztal ist, laufen noch. Endgültige Ergebnisse sollen in zwei Wochen vorliegen.
Vorsicht bei Gemüse
Barbara Kohlweg, die Umweltmedizinerin des Landes Kärnten, empfiehlt den von Hexachlorbenzol-Emissionen (HCB) betroffenen Görtschitztalern, vorerst auf den Genuss von Gemüse aus dem eigenen Garten zu verzichten. "Wir wissen momentan nur, dass das Trinkwasser frei von Belastung ist. Alle anderen Proben sind noch ausständig", sagte sie im Gespräch mit der APA am Freitag. "Eine akute Gefährdung besteht nicht. Inwieweit eine chronische Belastung stattgefunden hat, lässt sich momentan nicht seriös sagen." Die Empfehlung sei, ein bis zwei Wochen abzuwarten, bis die Behörde alle Befunde vorgelegt hat." (APA, 28.11.2014)