Klagenfurt - Das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB), das in Milch und Viehfutter im Kärntner Görtschitztal gefunden wurde, stammt "mit hoher Wahrscheinlichkeit" aus einem Zementwerk der Firma Wietersdorfer. Das gab die Unternehmensleitung in einer Aussendung bekannt. Seit Juli 2012 wird in dem Werk Blaukalk im Produktionsprozess verwertet.

Dass es möglicherweise ein Problem mit HCB gibt, wisse man seit 10. Oktober. Als knapp einen Monat später Testergebnisse das Problem bestätigten, habe die Werksleitung reagiert. "Seither wissen wir von HCB-Emissionen und haben nach Rücksprache mit der Behörde am 7. November die Einbringung von Blaukalk in den Zementofen sofort eingestellt", erklärte Werksleiter Berndt Schaflechner in einer Aussendung.

Ergebnisse in zwei Wochen

Untersuchungen, ob die Blaukalkverwertung tatsächlich die Ursache ist, laufen noch. Endgültige Ergebnisse sollen in zwei Wochen vorliegen.

Seit Juli 2012 wird im Zementwerk in einem genehmigten Entsorgungsprojekt Blaukalk verwertet. Dieser stammt aus der Deponie eines Werks der Donau Chemie in Brückl. Im Jahr 2011 wurde die Öffentlichkeit bei einer Pressekonferenz über die Verwertung informiert. "Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt", so Schaflechner. Eine Anfrage bei der Firma Donau Chemie blieb vorerst unbeantwortet.

Nicht in Umlauf

Die vorgeschriebene Grenzwerte in Milch und Futtermitteln wurden um 400 Prozent überschritten. Im Vorfeld einer Pressekonferenz von Agrarlandesrat Christian Benger (ÖVP) sagte dessen Sprecherin Gerlind Robitsch am Mittwoch, dass die kontaminierte Milch nicht in Umlauf gekommen sei.

Das weltweit verbotene und krebserregende HCB wurde bis zu seinem Verbot als Fungizid eingesetzt. Es kann zudem als Nebenprodukt bei chemischen Prozessen entstehen.

"Ernste Situation"

"Wir haben mit HCB in der Milch und in den Futtermitteln eine ernste Situation", sagte Benger am Mittwochabend. Er betonte, dass für die Konsumenten keine Gefahr bestehe oder bestanden habe. Von der Kontamination betroffen sind bis zu 35 Betriebe im Görtschitztal, bei "einer Handvoll" wurde das Umweltgift bereits nachgewiesen.

Bereits seit Ostern sei bekannt, dass es die Belastung im Görtschitztal gibt, bis Dienstag seien die gesetzlichen Grenzwerte aber nicht überschritten worden. Die kontaminierte Milch und das Futtermittel - es geht um Heu wie um Gras - werden vernichtet. Die Kühe, es dürfte sich um mehrere hundert Tiere handeln, werden geschlachtet. Sollte das Fleisch belastet sein, wird es nicht zum Verkauf freigegeben. Wie viele Kühe genau betroffen sind, wird noch erhoben.

Verursacher in Region vermutet

Einen Verdacht, woher die industriellen Immissionen kommen, wollte Benger am Mittwoch nicht äußern. Johann Mößler, der Präsident der Kärntner Landwirtschaftskammer, sagte: "Es muss einen Verursacher in der Region geben." An Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne) erging die Aufforderung, die Quelle des Umweltgifts zu finden. Bei anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Tal wurden zunächst keine Grenzwertüberschreitungen festgestellt.

Benger wie Mößler betonten, dass die Bauern in dieser Sache Opfer seien. "Ich werde alles unternehmen, damit den Bauern kein Schaden erwächst", sagte der Agrarlandesrat. Ein Sprecher des Unternehmens Kärntner Milch sagte, die betroffenen Betriebe seien keine Lieferanten der Molkerei.

Kaiser verlangt Untersuchungen

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) beauftragte am Donnerstag die Landesamtsdirektion mit "umfassenden Untersuchungen" "Ich will wissen, wer die Verantwortung trägt", erklärte Kaiser in einer Aussendung.

Geklärt werden soll auch, "warum es seit Bekanntwerden der Umweltbeeinträchtigung im Frühjahr so lange bis zur öffentlichen Information gedauert hat". Die entsprechenden Abteilungen müssten umgehend "unmissverständliche Berichte" vorlegen. Die Gesundheit der Menschen im Görtschitztal müsse Vorrang vor "wirtschaftlichen Aspekten" haben, meinte Kaiser. Ihm sei jedenfalls versichert worden, dass keine Gefährdung bestehe.

Altlastenatlas des Umweltbundesamts

Die Belastung des Kalks mit Hexachlorbenzol (HCB) ist seit Jahren bekannt und im öffentlich aufliegenden Altlastenatlas des Umweltbundesamts dokumentiert. Vonseiten des Umweltbundesamts wurden entsprechende Angaben in einer Aussendung der Umweltorganisation Greenpeace bestätigt.

"Es kann nicht sein, dass das Zementwerk jetzt so tut, als ob es von der HCB-Belastung überrascht worden wäre", kritisierte Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Für Greenpeace sei nicht nachvollziehbar, warum die Emissionen nicht früher entdeckt wurden. "Es liegt für uns auch der Verdacht nahe, dass die Kärntner Behörden bei Beginn dieser HCB-Entsorgung ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sein könnten." (APA, 27.11.2014)