Anmut und Majestät: Burg-Doyenne Annemarie Düringer.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Als Thomas Bernhards Heldenplatz 1988 uraufgeführt wurde, drohte die Stimmung im Wiener Burgtheater zu eskalieren. Eine Person widerstand der gehässigen Atmosphäre besonders triumphal: die Haushälterin Frau Zittel. Bald ging die Rolle der Wirtschafterin auf Annemarie Düringer über. Und diese bügelte Hemden, während sie Bernhards Sätze majestätisch ins Dunkel hinaussprach. Königlicher waren niemals Hemden auf offener Bühne gebügelt worden. Düringer, die Schweizer Indus triellentochter, war nach Anfängen in Paris 1949 an die Wiener Burg gewechselt. Und während sie unter den besten Regisseuren der damaligen Zeit spielte, nahm ab 1953 auch eine bedeutende Filmkarriere Gestalt an.

In Feldherrenhügel (Ernst Marischka) spielte sie an der Seite von Paul Hörbiger und Hans Holt. Sogar der Sprung nach Hollywood gelang der ernsten Schönheit spielend. Ein Abstecher in den Big Apple bescherte ihr einen Auftritt bei Martha Graham. 1982 war sie als Dr. Marianne Katz in Rainer Werner Fassbinders Die Sehnsucht der Veronika Voss zu sehen. Immer blieb die Düringer sie selbst: eine aristokratische Dame von hoher Unnahbarkeit und mit köstlicher Suada.

Ihre Rollengestaltungen, gleich ob in Inszenierungen von Peter Hall, Hans Neuenfels oder Hans Lietzau (in seiner Regie spielte sie Lorcas Bernarda Alba), waren makellos moderne Kunststücke. Peter Zadek mochte sich kaum sattsehen an ihrer eigenwilligen Prachtentfaltung. Er engagierte sie wiederholt, etwa für seinen epochalen Baumeister Solness (1983) in München. Annemarie Düringer wurde bereits 1963 zur Kammerschauspielerin ernannt. Sie war Trägerin des Alma-Seidler-Rings und seit 2001 Doyenne der Burg. Jetzt ist sie an ihrem 89. Geburtstag in Baden sanft entschlafen. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 27.11.2014)