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Willkommensgrüße: Istanbuls größte katholische Kirche St. Antonius.

Foto: EPA/TOLGA BOZOGLU

Alle sollen sie hier hinein: der Papst und sein Gefolge, die türkischen Staatsvertreter, die der römisch-katholischen Gemeinden in Istanbul und aus dem Rest der Türkei, die Chaldäer, die Griechisch-, Armenisch-, die Syrisch-Katholischen, die Maroniten und natürlich die Gläubigen, die sonntags immer zur Messe in die Saint-Esprit-Kirche kommen, ein paar hundert Meter weit vom Gezi-Park in Istanbul entfernt, gegenüber des Armeemuseums. Louis Pelâtre zuckt nur mit den Schultern.

"Wir haben nichts"

Die St.-Antonius-Basilika an der Istiklal-Straße, der Einkaufsmeile, wäre größer gewesen, sagt der Bischof von Istanbul, aber es hat eben hier sein sollen. "Wir haben an jede Gemeinde eine kleine Zahl an Tickets vergeben, und jetzt ist natürlich keiner zufrieden." Aber das war schon bei früheren Papstbesuchen in Istanbul so - 1967, 1979, 2006. Alle wollen sie dabei sein, wenn Franziskus am Samstagnachmittag eine Messe in Pelâtres Heilig-Geist-Kirche feiert. Dabei geht es im Grund gar nicht um die Katholiken, sagt der Bischof, um die 0,04 Prozent in diesem Land. Der Papst besucht den Patriarchen Bartholomäus, das Oberhaupt der orthodoxen Kirche. Das "alte Rom" ist zu Gast beim "neuen Rom".

"Wir sind ganz klein", sagt Louis Pelâtre, der mittlerweile 74-jährige Bischof, über die Katholiken in der Türkei. "Wir haben nichts, wir sind rechtlich nicht anerkannt. Man duldet nur, dass wir die Gebäude hier benutzen." Man sieht die Saint-Esprit-Kathedrale auch gar nicht von der Straße. Sie ist Teil eines französischen Gymnasiums an der breiten Cumhuriyet Caddesi, der Straße der Republik, die vom Taksim-Platz nach Sisli und Nisantasi führt, alten bürgerlichen Vierteln Istanbuls.

Antisemitische Töne

Zur Kirche gelangt man durch einen Seiteneingang des Gymnasiums Notre Dame de Sion, einem grau-grünen Bau mit verschlossenen Fenstern. Die Adoptivtöchter des Republikgründers Kemal Atatürk sind hier einst zur Schule gegangen. Heute, im politischen Klima der Türkei mit den antisemitischen Untertönen mancher Vertreter der konservativ-islamischen Regierung, ist "Sion" ein eher gefährlicher Name.

Gewalt gegen Katholiken ist sporadisch. Luigi Padovese, Bischof in Hatay, wurde 2010 von seinem Fahrer erstochen; ein Schüler mit islamistisch-nationaler Gesinnung erschoss 2006 den Priester Andrea Santoro während eines Gebets in dessen Kirche in Trabzon. Die christlichen Minderheiten in der Türkei sehen die schon mehr als ein Jahrzehnt dauernde Regierungszeit der konservativen Muslime von Staatschef Tayyip Erdogan als Fortschritt, der mehr Lockerungen für Nichtmuslime gebracht hat.

Flüchtlinge und Studenten

Sonntags ist die Kirche von Bischof Pelâtre voll. Die philippinischen Gastarbeiter haben ihre eigene Messe, ebenso die Gläubigen aus dem französischsprachigen Afrika - Studenten oder illegale Einwanderer. Unter der Woche kommt nur ein Dutzend Besucher zur Abendmahlfeier: ältere Gemeindemitglieder, ein afrikanischer Flüchtling, auch eine junge türkische Frau. Sie konvertierte vor ein paar Jahren vom Islam zum katholischen Glauben. "Meine Familie ist offen", sagt die junge Frau, "sie hat es akzeptiert."

Katholische Konvertiten sind eine winzige Gruppe innerhalb der christlichen Minderheit. Die Zeit der Missionierungen ist vorbei. Die Evangelisten aus den USA versuchen heute diese Rolle in der Türkei zu übernehmen. "Wir sind nur da, um den Leuten überlegen zu helfen", sagt Pelâtre, ein freundlicher Herr mit einem gutmütigen Lächeln. Vor 44 Jahren kam der gebürtige Bretone nach Istanbul. Zweieinhalb Militärcoups sollte das Land seither noch haben, den Krieg mit der kurdischen PKK, Bankencrash und den Sieg von Erdogans konservativer Islampartei im November 2002.

Terrormiliz als Thema

Papst Franziskus wird dem türkischen Präsidenten am Freitag einen Höflichkeitsbesuch in Ankara abstatten. Die Islamophobie im Westen und die Terrormiliz "Islamischer Staat" im Osten stehen oben auf der Themenliste. Bischof Pelâtre - sein offizieller Titel ist Apostolischer Vikar - ist verstört über die Nachrichten aus seiner Heimat Frankreich: über die zwei jungen Franzosen, die zum Islam übergetreten und als Mörder in den Enthauptungsvideos der IS identifiziert worden sind. "Wir müssen uns alle fragen - die einen wie die anderen", sagt der Bischof, Christen wie Muslime. "Ganz offensichtlich spüren die jungen Menschen eine Leere." (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD, 26.11.2014)