Ein Priester, der auch im Angesicht der Gefahr Ruhe und Übersicht bewahrt: der Ire Brendan Gleeson in John McDonaghs Milieudrama "Am Sonntag bist du tot".


Foto: Luna Filmverleih

Wien - Ein angekündigter Mord an einem ungewöhnlichen Ort: "Ich werde euch umbringen, Vater", so wird es Pater James Lavelle eines Tages im Beichtstuhl vernehmen. Der etwas stärker gebaute, geradlinige und auf seine Herde achtende Mann hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Nun soll er deshalb sterben, weil er ein bemühter, positiver Repräsentant der Kirche ist. Dem Täter, der am Sonntag zuschlagen will, geht es um ein Zeichen. In seiner Kindheit war er selbst sexuelles Missbrauchsopfer eines Geistlichen.

Am Sonntag bist du tot (Calvary) mag wie ein Thriller beginnen, doch der neue Film von John Michael McDonagh entwickelt sich bald zum Milieudrama, in dem es um tiefgründigere Themen als um jenes geht, wer Lavelles Leben bedroht. "Für mich ist der Film genau deshalb geglückt", sagt Brendan Gleeson, der als Priester wie ein Wellenbrecher in der Gemeinde steht, "weil es uns gelingt, die Zuschauer den Thriller vergessen zu lassen. Er spielt für die Erzählstruktur eine Rolle, aber dahinter sind viele andere Realitäten spürbar, die wie ein Schock wirken."

Gleeson, einer der bekanntesten irischen Schauspieler - den meisten ist er als Mad-Eye Moody aus den Harry Potter-Filmen ein Begriff -, will den Film daher als Charakterstudie verstanden wissen: "Am Ende des Tages geht es um Hoffnung, um Desillusionierung und Vergebung." Die Struktur des Films ist lose dem Kreuzweg nachempfunden - Calvary, der Originaltitel, meint den Ort, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Es geht mithin um eine Bewegung auf den Tod zu, bei dem aber bevorzugt irdische Angelegenheiten geregelt werden müssen. Lavelle lässt auch im Moment der Lebensgefahr von seinem Pflichtgefühl nicht ab. Er nutzt lieber die Zeit, die ihm bleibt.

Mit Autor und Regisseur McDonagh hat Brendan Gleeson bereits in The Guard (2011) zusammengearbeitet, ein großer Erfolg bei Kritik und Publikum. Der 59-Jährige hatte darin die Rolle eines mürrischen Kleinstadtpolizisten inne, in ihrer Abgründigkeit ist die Figur weit weg vom herzensguten Priester aus Am Sonntag bist du tot. "Es war schon ein wenig seltsam, das Priestergewand anzulegen. Es fühlte sich an, als würde man sich herausputzen für die Rolle eines Samurai, der für das Gute kämpft. Als müsste ich von nun alles beschützen, was wertvoll ist."

Man merkt im Gespräch schnell, wie eingehend, ernsthaft sich Gleeson für seine Rolle vorbereitet hat. Er sehe den Priester durchaus als eine Art Modell, gerade weil er die Welt kenne, geerdet und nicht naiv sei. "Lavelle leidet an den Vergehen der anderen mit. Aber er ist überzeugt, dass es immer Hoffnung gibt. Und er hat auch eine Tochter, ist also ein Spätberufener - John und ich haben lange darüber gesprochen, wie man einen guten Geistlichen interessant erscheinen lässt, und ich finde, diese Erfahrung macht ihn glaubwürdig."

Lehrer, die sich einmischen

Gleeson hat wiederum seine Zeit als Lehrer geholfen, die Rolle des Priesters im Dorf nachzuvollziehen. "Als Lehrer übernimmt man auch die Verantwortung, in die Leben von anderen intervenieren zu dürfen", sagt Gleeson, der Englisch unterrichtet hat, bevor er Schauspieler wurde. "Man sieht, wie sich zwei prügeln oder jemanden, der Angst hat, am Abend nach Hause zu gehen - da muss man eingreifen. Wenn man nicht gebeten, nicht gefragt wurde, ist das jedoch schwierig." Vieles, was der Priester tut, sei genau das: sich einmischen, ohne zu fragen.

Interessanterweise war es beim Pubbesuch, als McDonagh und Gleeson das erste Mal über die Idee einer Priesterfigur sprachen. "Wir haben uns gefragt, wie schwierig es sein muss, unter den gegebenen Umständen ein guter Priester zu sein. Man würde doch ständig mit all den Pädophiliefällen und anderen Problemen der Kirche in Verbindung gebracht werden." In Irland habe sich das Verhältnis gegenüber Priestern durch die Missbrauchsfälle sehr verändert, sagt Gleeson. Ein Echo darauf findet sich im Film: "Oft hat man eine gute Person, die Gutes will, und eine Bevölkerung, die desillusioniert ist. So zynisch sie ist, tief drinnen will sie, dass nichts davon wahr ist. Alle Zyniker sind vereitelte Idealisten."

Gleeson selbst lässt sich nicht so schnell entmutigen. Das beste Beispiel dafür ist sein Projekt einer Verfilmung von Der dritte Polizist , dem großartig verqueren Flann-O'Brien-Roman. Nach zehnjähriger Vorbereitungsphase wurde die fast ausfinanzierte Produktion doch noch einmal auf Eis gelegt. "Es ist ein schwieriges Drehbuch, nicht auf die herkömmliche Weise nach vorne erzählt, sondern mit vielen Ebenen. Ich werde sicher darauf zurückkommen. Irgendwann muss es klappen, und wenn es erst in zehn Jahren ist!"

Anderes inszenieren will der Ire definitiv nicht. Geplant ist jedoch der Abschluss der Trilogie mit McDonagh. Über den inoffiziellen Namen sind die beiden jedoch nach wie vor uneins: "Er hat sie unlängst einmal Selbstmordtrilogie genannt. Dabei geht es doch überhaupt um keinen Todesdrang!" Das wird sich bestimmt im Pub klären lassen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 26.11.2014)