Der Zorn der Bürger von Ferguson aufgrund der Entscheidung, den Polizisten Darren Wilson wegen des Todes von Michael Brown nicht anzuklagen, ist verständlich, die Proteste aber sind nicht unbedingt berechtigt. Die Grand Jury hat es sich nicht leichtgemacht, und die Zeugenaussagen über das, was in dieser Nacht tatsächlich geschehen ist, waren widersprüchlich. Der Verzicht auf eine Anklage mag letztlich eine Fehlentscheidung sein, aber es braucht in jedem Land starke Beweise, um einen Polizisten im Dienst vor Gericht zu stellen.

Protestiert aber werden sollte dennoch, nämlich gegen das katastrophale amerikanische Polizei- und Justizsystem - nicht nur in Ferguson, sondern im ganzen Land. Es beginnt mit den überhöhten Verkehrsstrafen, über die sich Gemeinden wie Ferguson Einnahmen holen, setzt sich fort mit den absurd harten Drogengesetzen, die Millionen von meist Schwarzen und Latinos hinter Gitter bringen, und den Staatsanwälten, die allzu oft Geständnisse und belastende Aussagen erpressen. Und es gipfelt im anhaltenden Skandal der Todesstrafe. Amerikas Justiz wird den Ansprüchen eines Rechtsstaates bei weitem nicht gerecht.

Der scheidende Justizminister Eric Holder hat einige Reformen eingeleitet, auch in einigen Bundesstaaten gibt es Bewegung. Aber viel mehr Anstrengung ist notwendig, um die über Jahrhunderte entstandenen Justizmissstände zu beseitigen. Vielleicht trägt Ferguson etwas dazu bei. (Eric Frey, DER STANDARD, 26.11.2014)