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Foto: Reuters/STR

Astrologie ist eine seltsame Sache. Es gibt keine Belege dafür, dass sie funktioniert. Es gibt sehr viele Belege dafür, dass sie nicht funktioniert. Man kann erklären, warum sie nicht funktionieren kann, und sogar erklären, warum es einigen Menschen so vorkommt, als würde sie doch funktionieren. Und trotzdem ist die Vorstellung, dass ferne Sterne über unser Schicksal bestimmen, heute immer noch populär und weit verbreitet.

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Astrologie zu einem enorm komplexen und verwirrenden Wust an (einander teilweise widersprechenden) Thesen und Aussagen entwickelt. Man kann sich bei der kritischen Beschäftigung damit sehr leicht in irrelevanten Details verlieren. Das fängt schon damit an, dass es "die Astrologie" gar nicht gibt.

Nicht alle Himmelskörper werden miteinbezogen

Mein Geburtstag ist am 28. Juli. Und nach der klassischen westlichen Astrologie ist mein Zeichen damit der Löwe. Aber nach diversen anderen astrologischen Lehren ist es wahlweise die Feuerschlange, der Lachs oder die Stechpalme; mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften. Astrologische Weltanschauungen haben sich überall auf der Welt entwickelt, und wenn unser Schicksal tatsächlich in den Sternen steht, sollten sie eigentlich alle zu den gleichen Aussagen kommen. Aber die Astrologen können sich ja nicht einmal innerhalb einer einzigen Kultur einigen.

Warum zum Beispiel spielt der große Zwergplanet Pluto in jedem Horoskop eine Rolle; der mindestens ebenso große Zwergplanet Eris aber so gut wie nie? Warum verwenden einige Astrologen für ihre Arbeit den Asteroiden Ceres oder den Komet Chiron, aber ignorieren all die Milliarden anderen Kometen und Asteroiden? Der nahe Mond ist im Horoskop genau so wichtig wie der ferne Neptun, aber wenn die Entfernung offensichtlich egal ist: Wieso spielen dann all die Planeten anderer Sterne keine Rolle? Und was ist mit den "Transneptunern", die in der astrologischen Abart der "Hamburger Schule" benutzt werden? Diese Himmelskörper existieren in der Realität nicht einmal ...

Völlige Beliebigkeit

Es gibt natürlich plausible historische Erklärungen, warum in der Astrologie genau die Himmelskörper verwendet werden, die man heute benutzt. Aber wenn die Astrologie tatsächlich ernst genommen werden will, müsste sie selbst eine Begründung parat haben, die nachvollziehbar definiert, welche Himmelskörper im Horoskop eine Bedeutung haben und welche man ignorieren kann. So eine allgemeingültige Begründung gibt es aber nicht, und wenn schon die Grundlage der Sterndeutung jede Konsistenz und Logik vermissen lässt, dann kann daraus nur völlige Beliebigkeit folgen.

Und die findet man dann auch in jeder "Prognose" der Astrologen. Ihre Texte sind so vage, so voller Mehrdeutigkeiten und Konjunktive, dass sie immer zu passen scheinen (der psychologische Fachbegriff dafür lautet "Barnum-Effekt"). Konkret werden die Sterndeuter immer nur dann, wenn sie - zum Beispiel bei großen Katastrophen - nachträglich erklären, warum das Erdbeben/der Flugzeugabsturz/der Vulkanausbruch ganz exakt im Horoskop vorhersehbar gewesen wäre. Auch das ist kein Wunder, denn dank der Beliebigkeit der Astrologie findet man in einem Horoskop immer alles. Aber eben erst dann, wenn man weiß, wonach man suchen muss.

Wo es bedenklich wird

Astrologie ist ungefährlich, wenn man sie nur als harmlose Unterhaltung betreibt. Sie wird allerdings bedenklich, wenn Menschen damit beginnen, ihr ganzes Leben nach den Aussagen der Sterndeuter zu richten, und aufhören, selbst Verantwortung zu übernehmen. Und Astrologie wird untragbar, wenn sie als Entscheidungsgrundlage einflussreicher Leute dient. Astrologen beraten beispielsweise immer wieder Personalchefs diverser Firmen, um ihnen zu erklären, wie sie Bewerber anhand ihrer Sternzeichen einschätzen können (siehe: "Wenn der Steinbock für die Fisch' ist").

Aber auch die Finanzbranche orientiert sich an den Sternen: Die prominente Schweizer Astrologin "Madame Etoile" erklärte während der Finanzkrise im Jahr 2009 stolz, dass sich viele Wirtschaftsunternehmen und vor allem Banken mit der Bitte um Rat an sie gewandt hatten. Und "Börsenastrologie" ist mittlerweile eine eigene Spezialrichtung in der Sternkunde.

Und selbst vor den Politikern macht der Aberglaube nicht halt. Die ehemalige Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer hatte im Jahr 2006 keine Hemmungen, das Vorwort für das "Liebeshoroskope"-Buch der Astrologin Eva Vaskovich-Fidelsberger (die wiederum ihre eigene Sendung bei Radio Niederösterreich hat) zu schreiben. Und auch Gehrers Nachfolger als Wissenschaftsminister, Johannes Hahn, schien der Astrologie nicht abgeneigt zu sein und hat sich 2009 bei der Veröffentlichung des Ratgebers "Gesundheitsfaktor Sternzeichen: Astro-Medizin für den Alltag" mit Buch und Autoren präsentiert.

Omnipräsente Astrologie

Astrologische Ausbildung wird vom WIFI gefördert; Astrologen halten Vorträge an Volkshochschulen; Astrologen treten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf; die Astrologen feiern im Technischen Museum Wien. Egal, was wir von der Astrologie halten: Sie steckt tief und überall in der Gesellschaft. Die Sterne haben keinen Einfluss auf unser Leben. Die Machenschaften der Sterndeuter dagegen schon. (Florian Freistetter, derStandard.at, 26.11.2014)