Es gibt Verlängerungen und Verlängerungen. Wenn eine - selbst gesetzte - Verhandlungsfrist ausgedehnt wird, vielleicht sogar um Tage oder Wochen, dann ist das eine Sache. Wenn jedoch die Verhandler über das iranische Atomprogramm als neues Ziel für ein Abkommen den 1. Juli 2015 setzen, dann ist das eine andere. Dann sind die Wiener Gespräche über einen Atomdeal mit dem Iran, die bereits in der Verlängerung nach dem ersten Fristablauf im Juli waren, erst einmal gescheitert.

Dennoch wollen die Beteiligten noch nicht aufgeben. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zu lange war erstens der Weg, den die Verhandler bereits gegangen sind. So weit ist man noch nie gekommen. Eine prinzipielle Übereinkunft ist ja vorhanden: Der Westen respektiert den iranischen Wunsch nach einem zivilen Atomprogramm, der Iran den westlichen Wunsch nach Zerstreuung von dessen Sicherheitsbedenken, der Angst vor einer iranischen Nuklearbewaffnung.

Zweitens hat diese Annäherung greifbare Vorteile für beide Seiten gebracht: Ein Teil des iranischen Uran-Anreicherungsprogramms - vor allem die Anreicherung auf knapp zwanzig Prozent - sowie der umstrittene Reaktorbau in Arak sind eingefroren. Beides verlängert den theoretischen Weg zur Atombombe. Dafür bekam der Iran Sanktionserleichterungen. Und beide Seiten wollen mehr von dem, was sie jetzt haben.

Drittens haben die Atomverhandlungen eine neue - im Herbst 2013, als sie begonnen wurden, in ihrem Ausmaß noch ungeahnte - Dimension bekommen: Auch wenn die israelische Regierung darauf pocht, dass der Iran die Gefahr Nummer eins im Nahen Osten bleibt, so blicken heute die Augen der Weltöffentlichkeit gebannt auf den "Islamischen Staat" (IS). Die Terrororganisation, die inzwischen tatsächlich so etwas wie staatliche Strukturen betreibt, hat nicht nur die syrisch-irakische Grenze teilweise verschwinden lassen. Sie bedroht - auch von innen - noch andere arabische Staaten in der Region.

Aber ihr Erzfeind ist der schiitische Iran. Im Irak kämpfen die USA und der Iran zwar nicht gemeinsam, aber gegen denselben Feind. Das macht sie noch lange nicht zu Verbündeten oder gar Freunden: Aber ein Rückschritt in die Eiszeit, in der die USA und der Iran seit 1979 gelebt haben, können beide Seiten nicht brauchen.

Abseits der "ewig revolutionären" ideologischen Ausstattung des Iran, für die die Auseinandersetzung mit dem Westen identitätsstiftend ist und die sich vor allem immer wieder in verbalen Angriffen auf Israel Bahn bricht, hatte bei den Atomgesprächen die pragmatische Seite der iranischen Außenpolitik ihren Auftritt. Die Hoffnungen des Westens - die erst am Sonntag wieder von US-Präsident Barack Obama in einem Interview mit dem Sender ABC formuliert wurden - sind, dass ein Atomdeal nur ein Beginn eines Prozesses wäre, der das iranisch-westliche Verhältnis nachhaltig verändern könnte. Diesen Wunsch gibt es auch in Teilen der iranischen Gesellschaft und Politik, auch wenn er dort nicht so laut formuliert wird.

Und diesen Wunsch will man noch nicht sterben lassen. Zu wenige Details sind darüber bekannt, wo es sich letztlich gespießt hat, um zu beurteilen, ob das Problem wirklich durch Weiterfeilen an den Details lösbar ist. Wenn es mehr als das braucht, dann sind die Aussichten schlecht. Es gibt nichts, was einen Deal in einem halben Jahr einfacher machen würde als jetzt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 25.11.2014)