John Kerry und Javad Zarif im Palais Coburg am Sonntagabend.

Wien – Das, worüber man nicht verhandeln wollte – die Verlängerung der Gespräche –, wurde am Sonntag bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Wien erstmals auch ein offizielles Thema: Zumindest aus der iranischen Delegation verlautete, dass eine weitere Übergangslösung für ein Jahr möglich wäre, falls ein Durchbruch ausbleiben würde.

Was in einem Jahr anders und einer Lösung förderlicher sein sollte, erschließt sich jedoch niemandem. Im Iran schießen sich die Ideologen, die prinzipiell gegen eine Einigung sind, welche das Atomprogramm beschränken würde, immer mehr auf die Regierung von Hassan Rohani ein. Wenn kein Deal zustande kommt, wäre er mit seinem Wahlversprechen gescheitert, die Wirtschaftssanktionen loszuwerden. Und in den USA muss Präsident Barack Obama ab Jänner mit einem in der Gesamtheit republikanisch dominierten Kongress arbeiten.

Generell wurde am Sonntag in Wien nicht damit gerechnet, dass vor dem Ende der selbstgesetzten Deadline am 24. November – also wohl theoretisch zu Mitternacht – w. o. gegeben würde. Offenbar liegen aber keine wirklich neuen Ansätze auf dem Tisch, die einer der beiden Seiten Veranlassung geben würde, sich zu bewegen. Über die Details wird wie immer absolutes Stillschweigen bewahrt.

Außenministerreigen

Der Gesprächsreigen ist seit Tagen ungebrochen, es ist ein Kommen und Gehen von Außenministern der Verhandlerstaaten (die fünf Uno-Vetomächte plus Deutschland), nur US-Außenminister John Kerry, der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif und Catherine Ashton sind ständig hier, und ihren regelmäßigen Dreiertreffen wird stets besondere Aufmerksamkeit zuteil. Ashton ist seit Beginn des Monats zwar nicht mehr EU-Außenbeauftragte, aber für die Fortführung der Gespräche bekam sie ein Sondermandat – das wahrscheinlich mit dieser Runde enden wird, falls die Verlängerung substanziell ist.

Am Sonntag waren mit Ausnahme des chinesischen Außenministers alle in Wien: Kerry, Laurent Fabius (Frankreich), Philip Hammond (Großbritannien), Sergej Lawrow (Russland) und Frank-Walter Steinmeier (Deutschland). Auch wenn die Hoffnungen auf einen Durchbruch im Laufe des Wochenendes schwanden, so werden dennoch wichtige gemeinsame Entscheidungen zu treffen sein.

Ebenfalls nach Wien gekommen war der saudische Außenminister Saud al-Faisal, Kerry traf sich auch mit ihm. Zuvor war der scharfe Iran-Kritiker in Moskau gewesen. Russland, das dem Iran Brennstoff für das Kraftwerk Bushehr verkauft, wurde zuletzt manchmal als möglicher Akteur in einer der Lösungsvarianten genannt: nämlich dahingehend, dass ein Teil des niedrig angereicherten Urans, das der Iran weiter produzieren dürfte, nach Russland exportiert und zu Brennstoff umgewandelt werden könnte. Der Iran könnte dadurch mehr Zentrifugen in Betrieb haben, ohne sich der kritischen Grenze zu nähern, so viel angereichertes Material im Lande zu haben, dass daraus durch weitere Anreicherung relativ rasch Material für eine Bombe hergestellt werden könnte.

Beschränkungen retten

Auch wenn die Gegner der Atomverhandlungen mit dem Iran dagegen Sturm laufen, so bleibt es doch eine Tatsache – und wird von Kerry auch immer wieder betont –, dass während der laufenden Gespräche die iranische Urananreicherung signifikant eingeschränkt war. Diese Beschränkungen gilt es nun zu retten, wenn kein Durchbruch gelingt. Das gilt besonders für die eingefrorene 20-Prozent-Anreicherung, aber auch für die Fertigstellung des Schwerwasserreaktors in Arak oder die Inbetriebnahme der nächsten Zentrifugengeneration. Im Iran trompeten die Gegner des Deals bereits, dass man in Kürze wieder damit beginnen werde.

Natürlich hat auch der Iran wenig Interesse daran, dass die teilweise gelockerten Sanktionsschrauben wieder angezogen werden. Da jedoch der im November 2013 verabschiedete "Joint Plan of Action" einen, wie der Name sagt, Aktionsplan, also einen Prozess darstellt, ist er auch nicht so ohne weiteres auf längere Zeit einzufrieren. Pessimistische Beobachter meinen, dass, wenn diesmal – das muss nicht unbedingt am Montag sein, aber in absehbarer Zeit – keine Einigung erzielt wird, die Gelegenheit dafür ein für alle Mal verstreicht. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 24.11.2014)