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Der russische Staatsgast Wladimir Putin bei einer Parade der serbischen Streitkräfte am 16. Oktober 2014 in Belgrad.

Foto: EPA / Vasily Maximov

"Niemand kann Serbien befehlen, ob und gegen wen es Sanktionen verhängt" - das erklärte am vergangenen Samstag verärgert Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić. Serbien sei ein souveräner Staat, der die Politik im Interesse seiner Bürger und nicht in jenem von Brüssel oder Moskau betreibe, sagte er.

Vučić wiederholte auch die außenpolitische Parole seiner Regierung: Die Mitgliedschaft in der EU sei das strategische Ziel Serbiens, aber es pflege eben traditionell gute Beziehungen mit der Russischen Föderation und werde sich den Sanktionen des Westens gegen Moskau nicht anschließen.

Unbeugsamkeit und Ratlosigkeit

Hinter der demonstrativen Unbeugsamkeit versteckt sich aber Ratlosigkeit: Für die neutrale Haltung Serbiens im Ukraine-Konflikt - nach dem Vorbild der jugoslawischen blockfreien Politik zur Zeit des "echten" kalten Krieges - scheinen die EU-Partner immer weniger Verständnis zu haben.

Während der Westen in Wladimir Putin eine Gefahr für den Weltfrieden sieht, wohnte Russlands Präsident vor einem Monat einer Militärparade in Belgrad bei und ließ sich dabei bejubeln. Das serbische und russische Heer absolvierten gemeinsame Manöver in Serbien; und der russische Patriarch Kirill besuchte die serbisch-orthodoxen Brüder.

Prorussische Orientierung

Viele Serben sind prorussisch orientiert; Serbien hielt sich auch von der Abstimmung einer UN-Resolution zur Illegitimität des Krim-Beitritts zu Russland fern. Neben der "historischen Liebe" der zwei Völker ist Serbien aber auch von Russland abhängig, und zwar bei der Energieversorgung.

Bei seinem Antrittsbesuch als EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik mahnte Johannes Hahn vergangene Woche in einem Interview für Večernje Novosti, dass sich Serbien im Rahmen der Beitrittsverhandlungen "rechtlich verpflichtet habe", seine Standpunkte in schwierigen Fragen, wie den Sanktionen gegen Russland, mit jenen der EU "schrittweise in Einklang zu bringen". Er erinnerte auch daran, dass zwei Drittel der Auslandsinvestitionen in Serbien aus der EU kommen und dass das Gleiche für die Handelsbeziehungen gelte.

Nach dem Gespräch mit Vučić beharrte Hahn nicht mehr auf Sanktionen gegen Russland und wiederholte freundlich die üblichen Phrasen über die EU-Perspektive Serbiens.

"Gelbe Karte"

Der serbische Politologe Dušan Janjić ist überzeugt, dass die EU Belgrad die "gelbe Karte" gezeigt habe: "Zum ersten Mal wurde Serbien nachdrücklich daran erinnert, dass zwei Drittel des Außenhandelsumsatzes auf die EU entfallen, die diese Kanäle auch sperren könnte." Falls Moskau bis März nicht auf die EU zugehe, müsste sich Belgrad wider Willen den Sanktionen anschließen.

Der russische Kommersant schrieb, Hahn habe Serbien de facto ein Ultimatum gestellt: entweder Sanktionen gegen Russland - oder die EU und europäisches Geld vergessen.

"Vertrauliche Papiere"

Russische Diplomaten erinnern die Serben immer wieder gerne daran, dass es 1999 die Nato war, die sie bombardierte. Auf der anderen Seite schrieb Der Spiegel, sich auf "vertrauliche Papiere" des deutschen Auswärtigen Amtes berufend, dass Berlin "alarmiert über Russlands aggressive, anti-westliche Politik auf dem Balkan" sei. Durch die enge militärische Zusammenarbeit und durch Erdgaslieferungen setze Moskau vor allem Serbien und die serbische Entität in Bosnien, die Republika Srpska, unter Druck, von einer EU-Mitgliedschaft Abstand zu nehmen oder als Mitglied künftig EU-Beschlüsse prorussisch zu beeinflussen.

Serbien übernimmt 2015 den OSZE-Vorsitz. Bis dahin will der Westen Serbien auf der eigenen Seite wissen. Und in Belgrad befürchtet man, wie die Ukraine in die Zwickmühle zwischen die Großmächte zu geraten. (Andrej Ivanji, DER STANDARD, 24.11.2014)