Österreich verändert sich. Nicht durch die Politik, denn da geschieht so gut wie nichts. aber die basics, die fundamentalen Gegebenheiten sind ganz andere geworden. Die Bevölkerungszahl lag die ganzen Nachkriegsjahrzehnte hindurch bei etwa sieben Millionen. Ab 1971 stieg sie dann auf 7,5 Millionen und immer weiter, bis 2013 in einem letzten, auch von der Statistik Austria unerwarteten Schub die Zahl von 8,5 Millionen Einwohnern erreicht wurde. 2025 dürften es neun Millionen sein.

Dieser letzte Zuwachs ist ausschließlich durch die Zuwanderung erreicht worden. Nach der UN-Definition (die auch die Statistik Austria verwendet) leben 1,6 Millionen Menschen mit "Migrationshintergrund" (beide Eltern im Ausland geboren) in Österreich, davon 1,2 Millionen erste und 428.000 zweite Generation. Wenn man diese Globalzahlen nach den größeren Gruppen aufschlüsselt, so leben rund 270.000 türkischstämmige Menschen (davon 114.000 österreichische Staatsbürger) und rund 533.000 mit ex-jugoslawischem Hintergrund (davon 303.000 österreichische Staatsbürger) im Land.

Jeder, der Medien konsumiert oder sonst am Leben teilnimmt, weiß, dass es da Kontroversen gibt, die von den rechtspopulistischen Parteien und Medien noch angeheizt werden. Ein beträchtlicher Teil dieser Zuwanderer kommt aus dem muslimischen Kulturkreis, der sich in Einstellung und Lebensweise teilweise stark von der traditionellen österreichischen Kultur abhebt. Eine neue Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter dem Kürzel WIREL (Wien/Religion) kommt zum Schluss, dass sich in der Bundeshauptstadt die religiös-kulturelle Zusammensetzung stark verändern wird. Der Anteil der Katholiken (41 Prozent) wird in etwas mehr als 30 Jahren auf 33 Prozent geschrumpft sein, die Konfessionslosen werden bei etwa 30 Prozent bleiben, und die Muslime werden sich bis 2046 von heute zwölf auf 21 Prozent fast verdoppeln.

Dazu ist zu sagen, dass solche Projektionen nicht in Stein gemeißelt sind und vor allem genau interpretiert werden müssen. So ist es ein Faktum, dass wachsender Wohlstand und eine selbstbestimmtere Rolle der Frau die traditionelle Religiosität und die Geburtenrate eher senken; das ist auch schon bei Muslimen in Europa festzustellen. Außerdem hat sich die Zuwanderung relativ stark zu nichtmuslimischen Herkunftsländern verschoben: Deutschland, Rumänien, Polen, Kroatien.

Dennoch ist Österreich ein etwas anderes Land geworden, und das hat Folgen - von den Schulen, der Wohnsituation, Jugendkriminalität bis zum Zusammenleben generell. Die Zuwanderung stoppen zu wollen, ist eine müßige Übung, ganz abgesehen davon, dass ohne sie die Bevölkerung künftig schrumpfen würde.

Aber aktive Maßnahmen sind notwendig: eine Neugestaltung der Schule, der Jugendausbildung und letztlich auch eine besonnene, aber zielgerichtete Politik gegen Tendenzen in manchen Zuwanderer-Communities, die europäische Tradition der Toleranz, der Demokratie und der Frauenrechte nicht wirklich ernst zu nehmen oder sogar aktiv dagegen Widerstand zu leisten. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 22.11.2014)