Der Krisenkolumnist ist seit je ein großer Freund des humanen Strafvollzugs und daher brennend an der Institution der Gefängnisbibliotheken interessiert. In einer Welt, in der das Gros der Jugendlichen in erster Linie daran interessiert ist, beim Ego-Shooten möglichst viele Pixel-Feinde um die Ecke zu ballern, sind die Knäste ja bekanntlich die letzten Bastionen literarischer Bildung in Österreich.

Wie wir diese Woche erfahren haben, werden die Gefängnisbibliotheken demnächst interessante Unterstützung erhalten. Unser einnehmender Ex-Innenminister Ernst Strasser wird künftig mehr ausgebend tätig sein und seinen Mithäftlingen in seiner Funktion als quergestreifter Bibliothekar das eine oder andere literarische OEuvre aushändigen. Nicht ausgeschlossen also, dass Strasser demnächst einmal ein paar Thriller über die Budel wachsen lassen wird, in denen vor Jahrzehnten schon Jack Unterweger oder Udo Proksch ihre kriminellen Griffel drin hatten.

Lesen ist im Gefängnis eine beliebte, weil platzsparende Beschäftigung, während raumgreifende Aktivitäten wie Abseilen, Tunnelgraben, Stabhochspringen, Paragliden oder Trikefliegen von Gefängnisdirektoren weniger gerne gesehen werden. Dann lieber ein paar lebenslange Leser, die sich in die Seichtgebiete von Ildiko von Kürthy oder den Spiritualschmafu von Paulo Coelho vertiefen! Strafe muss sein!

Apropos Coelho: Leider kommt es immer wieder vor, dass perverse Gefängniswärter ihre Häftlinge mit unmenschlichen Werken drangsalieren: Nicht von ungefähr hat ein amerikanischer Anwalt 2013 dagegen protestiert, dass die Wachhabenden in Guantánamo ihre Insassen mit Fifty Shades of Grey in den Wahnsinn trieben. Aber auch die neue deutschsprachige Literatur hat einen Schüppel an Werken zu offerieren, mit denen sich selbst beinharte Mafiosi mühelos zu Tode quälen ließen. Jeder ernsthafte Literaturkritiker bestätigt das taxfrei. Dabei hätten Häftlinge in einem humanen Strafvollzug verdient, das zu lesen, was Häftlinge eben gerne lesen: Überwachen und Strafen von Michel Foucault oder den Grafen von Monte Christo.

Sei's drum. Wir warten jetzt erst einmal drauf, wie sich der Ernst an seinem neuen Posten im Umgang mit seinen Mithäftlingen menschlich bewähren wird: "Ah, du bistas, Karl-Heinz! Du, ich hab da einen super neuen Roman für dich!" (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 22./23.11.2014)