Kaufen Sie Spiele zum Erscheinungstermin oder warten Sie lieber ab?

Foto: Blizzard

Am Mittwoch war es soweit: Nach zwei Wochen der durchgehenden Spieletests ("Assassin's Creed Unity" und "Fra Cry 4" sei dank) wartete das viel besprochene Remake von "Grand Theft Auto 5" im Konsolenlaufwerk. Zwei Stunden später hatte ich Michael aus der brutalen Vergangenheit in die nicht weniger brutale Gegenwart geholt und Franklin beim Abstieg in die Gangsterwelt begleitet. Ein fantastisches Spiel, in HD noch schöner und aus der Ego-Perspektive mitreißend wie nie. Offline gut alles gut.

Noch interessanter für mich war jedoch der Mehrspielermodus "GTA Online", den ich vergangenes Jahr nur kurz ausprobieren konnte. Netzwerkprobleme in den ersten Wochen hielten mich zum Start 2013 davon ab, es mir genauer anzusehen. Nachdem Hersteller Rockstar Games die Verbindungsschwierigkeiten weitgehend in den Griff bekommen hatte, standen bereits die nächsten Werke zum Rezensieren an. Meine "GTA Online"-Ambitionen musste ich mir für die neue Hardware-Generation aufheben.

Ernüchternd

Zurück zum Mittwochabend und dem Erstellen eines Online-Charakters. Jetzt mit Alterungsoptionen, sehr nett. Und dann, nach 15 Minuten der Gestaltens und zwei langen Minuten des Verbindungsaufbaus zum Server die Ernüchterung: Eine Verbindung ist derzeit nicht möglich, probieren Sie es zu einem späteren Zeitpunkt wieder.

Wäre es das erste, zweite oder dritte Mal, das mir das als Videospieler passiert, würde ich wohl darüber hinwegsehen. Doch ich kann die Male nicht mehr zählen, in denen ich technische Schwierigkeiten mit Online-Games hatte. Manchmal waren es nur kleine Schluckaufs, in anderen Fällen waren es massive Ausfälle, die im Ärger über ein Spiel mündeten, in das man viel Geld oder zumindest Zeit investiert hat und einem eigentlich die Freizeit versüßen sollte.

Heute wie damals

Und das traurige daran: 2014 scheint die Lage keinen Deut besser zu sein als 2004, als "World of WarCraft" ans Netz ging. Sprichwörtlich, denn sogar das weiß-nicht-wie-vielte Addon "Warlords of Draenor" legte ein Jahrzehnt später alles andere als einen geglückten Start hin. Produktionen unterschiedlicher Hersteller und Größe scheitern immer noch an den Herausforderungen einer vernetzten Spielwelt. Egal, ob populäre Shooter wie "Battlefield 4" oder "Halo: The Master Chief Collection", Action-Rollenspiele wie "Diablo 3" oder Open-World-Games wie "Watch Dogs" oder "GTA 5" und Rennspiele wie "DriveClub": Kaum ein Hersteller scheint von Problemen gefeit zu sein. Man stelle sich bloß vor, Microsoft hätte seine Vision einer Immer-Online-Konsole in Form der Xbox One tatsächlich umgesetzt...

"Nicht vorhersehbar"

Interessant dabei ist, dass Hersteller beim Auftreten derartiger Probleme auf immer die gleichen Begründungen und Entschuldigungen zurückgreifen. Auch da hat sich in all der Zeit nichts geändert. "Wir haben das Spiel natürlich ausgiebig getestet, aber es gibt einfach keine Möglichkeit, wie mehrere Hundert Spieltester so gründlich sein können, wie Millionen von Spielern. Bitte habt daher etwas Geduld, falls es Probleme geben sollte", schrieb Rockstar in einer Aussendung von dem Markstart von "GTA Online" für PS4 und XBO.

"Im Entwicklungszyklus versuchen wir alles zu tun. Wir versuchen jede Möglichkeit zu testen. Wir haben ein Qualitätssicherungsteam, wir haben einen QA-Plan. Man macht Beta-Tests, man versucht danach zu skalieren", erklärt Sony-Manager Shawn Layden gegenüber IGN. "Aber jetzt, in einer vernetzten Welt, kann man mit internen Teams oder Beta-Gruppen nicht effektiv testen, was es bedeutet, wenn 50.000, 100.000, 200.000 Leute deinen Service aufrufen. Das wirft Dinge auf, die man nicht vorhersehen konnte."

Ups!

"Wir haben es verbockt, um es höflich auszudrücken", schreibt Frank O’Connor von "Halo"-Entwickler 343 Industries auf NeoGAF. "Viele kleine Probleme haben mit einem einzigen, größeren Problem zu tun, dass sich nicht zeigte, bevor wir online waren", heißt es zu den Schwierigkeiten bei "Halo: The Master Chief Collection".

Oder mit anderen Worten: Ups!

Natürlich ist das polemisch, ich entschuldige mich dafür. Doch es ist frustrierend zu sehen, wie sich die Technologien in der Videospielbranche so rasch weiterentwickeln und Endkonsumenten nach wie vor mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Natürlich sind die Ursachen dahinter komplexer geworden und von außen betrachtet ist es leicht alles zu beanstanden. Dennoch: So viel Verständnis man für die Komplexität und Anfälligkeit moderner Online-Games aufbringen sollte, ändert sich für Spieler nichts daran, dass Videospielstarts heute genauso holprig erscheinen wie vor einem Jahrzehnt.

Konsequenzen

Frustrierend ist auch, dass die Probleme bei Online-Games zumindest laut Herstellern kaum vor einer Veröffentlichung verhindert werden können. Im Gegensatz zu klassisch übereilt geworfenen Werken, bei denen selbst der Offline-Modus voll Fehlern ist, dürfte es zumindest den Entwicklern nach bei vernetzten Systemen nicht alles auf Zeitmangel zurückzuführen sein. Hersteller Ubisoft erklärte gegenüber der BBC, dass man als Konsequenz aus dem skandalösen Release-Zustand des Action-Adventures "Assassin's Creed Unity" erwägt, die Art und Weise, wie man mit Rezensenten und Spielern zusammenarbeitet, künftig ändern werde.

"Die Online-Elemente verfügbar zu haben, ist essentiell für eine komplette Erfahrung und Rezensenten. Dies vor dem Marktstart zu ermöglichen, ist extrem komplex. Wir arbeiten daran, unsere Dienste und Kommunikation für Konsumenten anzupassen, in dem wir die Zusammenarbeit mit Testern ändern und Konsumenten offene Beta-Tests oder andere Vorabversionen mancher unserer Games zur Verfügung stellen, damit sie die Informationen bekommen, die sie brauchen und wollen", heißt es von Seiten Ubisofts.

Geduld gefragt

Mehr offene Tests und eine offenere Kommunikation sind ein Anfang. Doch aus Sicht der Konsumenten sollte vor allem eines gefragt sein, will man seinem Frust Gehör verschaffen: Geduld.

Auf die Gefahr hinaus, mich zu wiederholen: Wenn unfertige und fehlerhafte Spiele trotzdem gekauft werden, liefert man Hersteller wenig Anreiz, ihre Qualitätsstandards zu erhöhen. Tun Sie sich selbst einen Gefallen und warten Sie ein paar Wochen ab, wenn das nächste "Battlefield" oder "WoW"-Addon herauskommt, und werden Sie nicht zum zahlenden Betatester. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 22.11.2014)