Die NSA-Enthüllungen durch Edward Snowden haben die Welt erschüttert. Dennoch sehe man sich nach wie vor einer "anlasslosen Massenüberwachung" gegenüber, wie der deutsche Journalist und Datenschutzexperte Matthias Spielkamp am Freitag in Wien betonte. Aus diesem Grund seien besonders Journalisten gefordert, sich in der "Welt nach Snowden" mit Technik und Verschlüsselung auseinanderzusetzen.

52.600 Mio. US-Dollar

Die mit "Überwacht und ausgespäht" übertitelte Diskussionsveranstaltung im Presseclub Concordia eröffnete Spielkamp mit einer Zahl: 52.600 Mio. US-Dollar. So bezifferte er das Budget der US-Geheimdienste. "Wo unfassbar viel Geld ist, braucht es eine Verwendung dafür", erklärte der Gründer von iRights.info. "Die können eigentlich machen, was sie wollen." Andererseits wisse man beispielsweise in Österreich nicht Bescheid über das Budget der Nachrichtendienste. "Das ist ein starkes Stück. Wir haben diese Probleme aber im Moment in vielen Ländern, die sich als Demokratie begreifen."

Genau hier sei Journalismus gefordert, um Fragen zu stellen und eine Debatte zu forcieren. Gleichzeitig müsse man sich aber im Klaren sein, dass die eigene Kommunikation so offen "wie eine Postkarte" sei. "Tun Sie ihre Informationen wenigstens in einen Briefumschlag", bezog sich Spielkamp etwa auf Verschlüsselungsprogramme für E-Mails. "Wir können keine Grundlagen für Quellenschutz bieten, wenn wir nicht in der Lage sind, mit der Technik umzugehen."

"Begreifen Sie solche Dinge als Ihre Pflicht, eine Situation zu ändern"

Andererseits müssten Journalisten angesichts von Enthüllungen wie jenen Snowdens aus ihrer Betrachterrolle ausbrechen. "Begreifen Sie solche Dinge als Ihre Pflicht, eine Situation zu ändern", ohne in der Berichterstattung aber die nötige Ausgewogenheit zu vernachlässigen. Letztlich sei es natürlich eine politische Frage, wenn es um Stichworte wie Amtsgeheimnis oder fehlende Transparenz bei Nachrichtendiensten geht: "Wir brauchen Informationen, um uns davon ein Bild machen zu können", unterstrich Spielkamp. Um beurteilen zu können, welche Kontrollen benötigt werden, müsse "die Diskussion auch vom Journalismus angestoßen werden".

Die Snowden-Enthüllungen bezeichnete der Datenschutzexperte indes als "Triumph des Journalismus": Seit eineinhalb Jahren gebe es eine nicht abreißende Flut an Informationen, die es immer wieder in die Schlagzeilen schaffen. "Das ist eine Orchestrierung der Enthüllungen", wodurch die Debatte aufrechterhalten werden. "Und das bei einem Thema, das alle Politiker und Unternehmen lieber heute als morgen vom Tisch haben würden."

"Wenn wir nicht wissen, was das Aufgabengebiet der Nachrichtendienste ist, kann man sie auch nicht kontrollieren."

Er habe aber keine unrealistischen Erwartungen an solche Vorgänge: "Dass wir durch Journalismus jetzt im großen Stil diese Probleme aus der Welt schaffen können, daran glaube ich nicht." Dennoch müsse man "einen Schritt nach dem anderen" setzen. Dem pflichtete auch Andreas Krisch vom Forum Datenschutz bei: "Wenn wir nicht wissen, was das Aufgabengebiet der Nachrichtendienste ist, kann man sie auch nicht kontrollieren." Die Frage sei aber: "Wieso ist unsere Kommunikation so abgreifbar?" Das sei ein politisches Problem, weil unter anderem zu wenig Geld für Datenschutzrechtsdurchsetzung ausgegeben werde.

Datenjournalist Markus Hametner (Forum Informationsfreiheit) konnte Spielkamps Vorschlag, auf E-Mail-Verschlüsselung zu setzen, zwar nicht viel abgewinnen. Aber Journalisten müsste bewusst sein, dass sie bei heiklen Kontaktaufnahmen mit Whistleblowern eine Verantwortung tragen. Würden Nachrichtenseiten per se auf das sichere Kommunikationsprotokoll https setzen, wäre das "schon ein Anfang". Ähnlich argumentierte Kryptoexperte Pepi Zawodsky: "Redaktionen berichten zwar über diese Dinge, treffen aber selbst keine Vorkehrungen."

Letztlich waren sich bei der gemeinsamen Veranstaltung von Forum Journalismus und Medien Wien, Presseclub Concordia, Forum Informationsfreiheit, Forum Datenschutz und Digitalks die Experten aber einig, dass es unterschiedliche Anstrengungen benötigt, um in diesen Fragen weiterzukommen. "Langfristig braucht es bessere Technologien als verschlüsselte E-Mails sowie politische Entscheidungen und Rechtsdurchsetzungen in diesem Bereich", betonte Zawodsky. (APA, 21.11. 2014)