US-Präsident Barack Obama hat in einer Rede an die Nation am Donnerstagabend angekündigt, 4,3 Millionen Einwanderer bis zu drei Jahre lang vor der Abschiebung schützen. Die Voraussetzung: Sie müssen bereits mindestens vier Jahre in den USA leben, dort geborene Kinder haben, unbescholten sein und Steuern zahlen. Durchsetzen will Obama das mittels Executive Order. Mit dieser Vorgehensweise kann er sein Vorhaben ohne die Zustimmung des ab Jänner mehrheitlich republikanischen Kongresses durchsetzen.

Per Executive Order kann der Präsident als höchste Autorität den Verwaltungsbeamten bestimmte Anweisungen erteilen. Diese Dekrete können kein neues Gesetz schaffen, aber die Auslegung bestehender Rechtsvorschriften bestimmen. In vielen Fällen, auch im aktuellen, werden Executive Orders des Präsidenten erteilt, um ein politisches Vorhaben durchzusetzen, dem der Kongress kaum zustimmen würde.

US-Präsident Barack Obama bewahrt mittels Executive Order Einwanderer vor der Abschiebung – gegen den Willen des Kongresses.
Whitehouse.gov

Aus der Verfassung abgeleitet

Die Executive Orders bedürfen eben nicht der Zustimmung des US-Kongresses, haben aber juristisch dasselbe Gewicht wie ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz. In der Verfassung der USA gibt es keinen expliziten Abschnitt über die Anwendung der Executive Orders. Das Recht des Präsidenten wird allerdings aus Artikel II Abschnitt 1 der US-Verfassung abgeleitet, der dem Präsidenten "exekutive Macht" zuordnet. Näher definiert wird dieses Recht in Abschnitt 3, der den Präsidenten dazu verpflichtet, sich um die sorgfältige Umsetzung der Gesetze zu kümmern.

Das Instrument der Executive Order wurde von jedem US-Präsidenten seit George Washington genutzt. Sie waren aber lange Zeit kaum dokumentiert oder öffentlich zugänglich. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann das Außenministerium die Executive Orders zu nummerieren – das geschah rückwirkend. Die Zählung beginnt im Jahr 1862 während der Präsidentschaft von Abraham Lincoln.

Wie in der Grafik zu sehen, nahm die Zahl der Executive Orders in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell ab. Spitzenreiter war Franklin D. Roosevelt mit 3.467 Executive Orders in seiner Amtszeit von 1933 bis 1945. Diese hohe Zahl erklärt sich zum einen mit den in diesen Jahren zunehmenden Aufgaben der Regierung und zum anderen mit seiner Funktion als Oberbefehlshaber während des Zweiten Weltkriegs. Allerdings scheute er sich auch nicht, das Potenzial der Executive Orders bis zum Anschlag auszunutzen.

Kein neues Recht schaffen

Bis ins Jahr 1952 gab es keine klaren Regeln dafür, was der Präsident mittels Executive Order festlegen kann. In diesem Jahr entschied der Oberste Gerichtshof, dass eine Executive Order kein neues Recht schaffen könne, sondern lediglich die Auslegung bestehender Gesetze oder Verfassungsbestimmungen neu festlegen. Anlass für diesen Entscheid war das Vorhaben von Präsident Harry Truman, mittels Executive Order einige Stahlwerke unter Bundeskontrolle zu stellen. Damit wollte er verhindern, dass ein Streik der Stahlarbeiter in einem anstehenden Lohnkonflikt die Munitionsproduktion für den Korea-Krieg gefährden würde. Der Oberste Gerichtshof hob diese Entscheidung Trumans auf.

Immer wieder wurde an der Maßnahme der Executive Order eine zentrale Kritik laut: Sie werde missbräuchlich genutzt, um bestimmte politische Vorhaben ohne Zustimmung des Kongresses durchzusetzen.

Internierungen und Aufhebung von Segregation

Tatsächlich wurden wichtige politische Entscheidungen in den USA mittels Exekutive Order umgesetzt. Franklin D. Roosevelt ließ 1942 während des Zweiten Weltkriegs Amerikaner mit japanischem oder deutschem Migrationshintergrund aus Militärzonen entfernen. Dieser Erlass Roosevelts, die Executive Order Nr. 9066, machte auch die Internierung dieser Bevölkerungsgruppen möglich.

Es gibt auch aber Executive Orders mit positivem Effekt: So hob Truman die Rassentrennung im Militär mit diesem Werkzeug auf, Eisenhower schaffte die Segregation von Schulklassen ab, Kennedy und Johnson nutzten die Executive Order, um Rassendiskriminierung in Bereichen wie Wohnen, Anstellungen und Vertragsschließungen aufzuheben. Der von Reagan mittels Executive Order angeordnete Stopp von Bundesmitteln für Abtreibungsbefürworter wurde von Clinton wieder aufgehoben.

Veto und Zweidrittelmehrheit

Wenn dem Kongress nicht gefällt, was der Präsident beschließt, hat er im Grunde zwei Möglichkeiten. Zum einen kann ein bestehendes Gesetz umgeschrieben oder ergänzt werden, um den Spielraum der Exekutive und damit des Präsidenten einzuengen. Zum anderen könnte der Kongress dem jeweiligen Politikbereich die finanzielle Unterstützung versagen, was aber auch in einem Gesetz beschlossen werden müsste.

Gegen dieses neue Gesetz könnte der Präsident sein Veto einlegen, das wiederum nur mit einer Zweidrittelmehrheit sowohl im Senat aus auch im Repräsentantenhaus ausgehebelt werden könnte. Ein politisch also äußerst schwer umzusetzendes Unterfangen, weshalb die meisten Executive Orders bis zum Ende der Amtszeit des jeweiligen Präsidenten bestehen bleiben. Der Nachfolger kann diese dann wieder aufheben.

Außerdem kann eine Executive Order vor Gericht angefochten werden. Und zwar dann, wenn die Executive Order dem vom Kongress formulierten Gesetz widerspricht oder wenn der Präsident damit seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen überschreitet. (Michaela Kampl, derStandard.at, 21.11.2014)