Es ist schon eine anachronistische Situation. Jede erwerbstätige Frau in Österreich hat ein Recht auf Karenz. Nur für Politikerinnen gibt es keine Regelung. Sie müssen improvisieren und auf die Unterstützung ihrer Kollegen und Kolleginnen hoffen. Historisch ist das einfach zu erklären: Früher war es nicht denkbar, dass junge Frauen im Parlament sitzen und neben der Karriere auch noch Familienpläne schmieden.

Warum man im Jahr 2014 noch nicht auf die geänderten Umstände reagiert hat, ist unverständlich. Quer durch die Parteien ist man sich heute einig, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein anzustrebendes Ziel ist (auch wenn die Lösungsvorschläge unterschiedlich sind). Im aktuellen Regierungsprogramm ist eine weitere Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes vorgesehen, ebenso der Papamonat und der Ausbau der Kinderbetreuung.

Nur im eigenen Bereich steht man auf der Bremse. Politiker und Politikerinnen müssen aber beim Karenzthema zu sich selbst nicht strenger sein als zum Rest der Bevölkerung. Rechtlich wäre das Problem einfach zu lösen: Während der Auszeit könnte der oder die Nächste auf der Wahlliste nachrücken. So würde sich an den Mehrheitsverhältnissen im Parlament nichts ändern.

Das Problem des niedrigen Frauenanteils wäre damit natürlich noch lange nicht behoben. Es wäre lediglich ein Signal, dass Politik und Elternschaft kein Widerspruch sind. (Günther Oswald, DER STANDARD, 20.11.2014)