Es kommt ja nicht überraschend, dass Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann der von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erneut ins Spiel gebrachten Pensionsautomatik eine klare Absage erteilt. Denn er steht knapp vor einem Parteitag, von dem er sich ein klares Votum für seine Wiederwahl erhofft.

Schon seit der Ära Gusenbauer gilt das in Staaten wie Schweden und Deutschland praktizierte Modell, das Pensionsantrittsalter automatisch an die steigende Lebenserwartung anzupassen, als rotes Tuch für die Gewerkschaft. Und deren Stimmen braucht Faymann für ein Wahlergebnis von 95 Prozent aufwärts.

Aber Faymann tut weder sich noch seiner Partei etwas Gutes, wenn er die Pensionsautomatik als Zynismus abtut – und schon gar nicht dem Land, das er regiert.

Verhältnis verschlechtert sich von Jahr zu Jahr

Es steht außer Zweifel, dass sich das Verhältnis zwischen den Beitragszahlern ins Pensionssystem und den Leistungsempfängern von Jahr zu Jahr verschlechtert. Denn die Lebenserwartung steigt so schnell, dass alle Anstrengungen zur Anhebung des Pensionsantrittsalters nicht mithalten können.

Diese Entwicklung ist Gift für die langfristige Budgetentwicklung, weil sie immer höhere Zuschüsse in die Pensionsversicherung notwendig macht. Und sie ist Sprengstoff für jede Koalition. Denn sie zwingt die Regierung dazu, Jahr für Jahr sich mit der Frage von Pensionsanpassungen herumzuschlagen – und damit die wichtigen älteren Kernwähler zu verärgern.

Deshalb wäre ein Pensionsautomatismus, in Deutschland Nachhaltigkeitsformel genannt, so sinnvoll. Er würde den Politikern die Freiheit nehmen, nichts zu tun, wenn sich die Pensionsdaten verschlechtern, und sie zu einer Anpassung – höhere Beiträge, späteres Antrittsalter oder geringere Leistungen – zwingen.

Kopf in den Sand wird unmöglich

Die Automatik ist demokratisch, weil sie auf einem politischen Beschluss basiert, und sie lässt der Politik immer noch den Spielraum, sich für die eine oder andere Anpassung zu entscheiden. Nur die Option Kopf in den Sand und Verschieben des Problems auf spätere Generationen wird verschlossen.

Faymann hat recht, dass bei einer Erhöhung des Antrittsalters auch die Arbeitsplätze für Ältere entstehen müssen. Doch man darf nicht darauf warten, dass dieser Arbeitsmarkt für Senioren perfekt funktioniert, bis man die Pensionen an neue Realitäten anpasst. Das wäre ein Rezept für eine Kosten- und Schuldenexplosion.

Und je mehr sich das Schlupfloch Frühpension verschließt, desto eher kommen Betriebe unter Druck, die Älteren bis zum regulären Pensionsalter zu beschäftigen.

Langfristkrise im Pensionssystem

Nicht die Pensionsautomatik ist zynisch, sondern die Haltung von Faymann und seinem Sozialminister Rudolf Hundstorfer, die beide entweder die tiefe Langfristkrise in Österreichs Pensionssystem nicht wahrhaben wollen oder glauben, dass sie sich irgendwie von selbst lösen wird.

Die Pensionsautomatik wäre ein logischer Ausweg und einer, der ihnen auch erlauben würde, das Gesicht zu wahren.

Aber Faymann zeigt hier keinen Mut und lässt sich von der oft rabiaten Rhetorik der Gewerkschaften beeindrucken. Das ist sein größtes Versagen als Bundeskanzler – eines, das ihn in späteren Jahren schlecht aussehen lassen wird. Doch das kümmert ihn nicht, denn dann ist der SPÖ-Parteitag längst vorbei. (Eric Frey, derStandard.at, 20.11.2014)