Wien/Münster - Für das Praktikum nicht nur nicht bezahlt werden, sondern sogar dafür zahlen - darauf lassen sich immer mehr Studierende ein. Vor allem für Auslandspraktika sind Agenturen, die gegen Bezahlung unbezahlte Praktika vermitteln, beliebt.

Allein die Agentur "Travel- Works" mit Sitz in Münster hat jährlich nach eigenen Angaben mehrere hundert Kunden. 60 Prozent davon seien weiblich, die meisten Anfang 20, fast keine über 30. Das Geschäft floriere, besonders im anglophonen Sprachraum. Kaum nachgefragt seien hingegen Länder wie China oder Thailand, sagt Tanja Kuntz, Geschäftsführerin von Travel-Works.

1400 Euro für die Vermittlung

Die Praktika, die Travel-Works vermittelt, sind unbezahlt, je nach Destination fallen zwischen 800 und 1400 Euro "Vermittlungsgebühr" an. Diese beinhaltet Organisation, Hilfe beim Visumsantrag und eine 24-Stunden-Notrufnummer. Flug, Visum, Unterkunft, Sprachkurs und Verpflegung sind im Preis nicht inkludiert. Der erwartete Arbeitseinsatz variiert - meist 30 bis 40 Wochenstunden.

"Wir vermitteln Fachpraktika in begehrten Bereichen wie Wirtschaft, Medien und Design, oft auch an Schulabgänger ohne Praxiserfahrung", rechtfertigt Kuntz den Preis. Es sei kein Leichtes, Betriebe dazu zu bringen, Praktikanten aufzunehmen, da diese fachlich nicht in der Lage seien, mit anzupacken.

Sonja Nadler (22), Publizistikstudentin der Uni Wien, wandte sich an die Agentur "Praktikawelten". Für etwa 900 Euro fand sie sich in der Rolle der Reinigungskraft und des "Kaffeemädchens" wieder. Zwei Monate lang war sie bei einem britischen Radiosender Mädchen für alles - außer Rundfunk -, verbesserte aber immerhin ihr Englisch und knüpfte nützliche Kontakte.

Außergewöhnliche Erfahrung

Eine außergewöhnliche Erfahrung machte Hannah (24), die Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku studiert. Ihren Nachnamen will sie nicht in der Zeitung lesen, um sich künftig keine Jobchancen zu verbauen. "Voller Idealismus" brach sie ins Amazonasgebiet auf, um sich für die Umwelt zu engagieren - bereit, 300 Euro monatlich zu zahlen für 40 Wochenstunden schwere Arbeit, wie Zementsäcke tragen.

Es hieß, das Geld werde für Verpflegung und die Nächtigung verwendet. Nachdem ihr eine Abrechnung in die Hände fiel, erschrak Hannah: Ein vierjähriges Mädchen und Freunde des Chefs standen auf der Gehaltsliste.

Der Koordinator der Organisation "Centro de Educación Ambiental", Jens Töniges, reagierte empört auf die Vorwürfe: Der Preis sei angemessen - man benötige das Geld zur Ausstattung des Medizinschrankes (den Hannah leer vorfand), Matratzen (Hannahs Exemplar war verschimmelt), für "gute Verpflegung" und Infrastruktur. Zement schleppen sei für europäische Verhältnisse zwar hart, gestand er ein, man informiere vorab aber über die Praktikumsinhalte. Töniges beschwerte sich über Rufschädigung - seit längerem werde er von Volontären medial angeprangert. (Julia Höftberger, DER STANDARD, 20.11.2014)