Bild nicht mehr verfügbar.

Sicherheitskräfte und Mitglieder des Rettungsdienstes vor der Synagoge in Jerusalem, in der sich am Dienstag der Anschlag ereignete. Das Haus steht in einer Gegend der Stadt, die bisher nicht als Brennpunkt der Konflikte gegolten hatte.

Foto: Reuters / Ammar Awad

Es war der schwerste Anschlag seit Jahren in Israel. Zur Zeit des Morgengebets am Dienstag drangen zwei Palästinenser in eine kleine Synagoge in Jerusalem ein und griffen die Betenden mit einer Pistole und großen Messern an.

Dabei wurden fünf Menschen getötet und einige zum Teil schwer verletzt. Drei Todesopfer hatten neben der israelischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft, ein weiterer Ermordeter die britische. Ein Polizist, der bei dem Angriff verwundet worden war, erlag am Abend seinen Verletzungen.

Die Angreifer wurden von der Polizei in ein Gefecht verwickelt und erschossen, wobei auch Polizisten verletzt wurden. Einige Stunden später wurde gemeldet, dass die "Volksfront für die Befreiung Palästinas" sich zu dem Anschlag bekannt habe. Ein Sprecher der Hamas hatte ihn schon zuvor als einen "heroischen" Akt bezeichnet.

Netanjahu beschuldigt Abbas

Israels Premier Benjamin Netanjahu warf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, genannt Abu Mahsen, vor, für die Taten mitverantwortlich zu sein: "Das ist das direkte Ergebnis der von der Hamas und Abu Mahsen angeführten Aufwiegelung, die von der internationalen Gemeinschaft in unverantwortlicher Weise ignoriert wird." Wenig später verurteilte Abbas "die Attacke auf jüdische Gläubige an einem ihrer Gebetsorte in Westjerusalem".

Die Synagoge, in der sich zum Zeitpunkt des Anschlags rund 20 Menschen aufhielten, befindet sich in Westjerusalem im Viertel Har Nof, einer großteils von strengreligiösen Juden bewohnten Gegend abseits der üblichen Brennpunkte. Einige der Betenden konnten sich retten, indem sie sich unter Bänken versteckten oder in ein tieferes Geschoß entkamen. Die ersten Sicherheitskräfte, die auf die Schüsse reagierten, waren zwei Verkehrspolizisten, die in der Nähe Dienst taten.

Die Angreifer wurden als zwei Cousins aus Dschabel Mukaber, einem arabischen Teil Ostjerusalems, identifiziert. Nach dem Anschlag kam es dort zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der Polizei. Das palästinensische Radio bezeichnete die Angreifer als "Märtyrer", und aus Gaza wurde von Freudenkundgebungen berichtet. "Die Hamas ruft zur Fortsetzung von Vergeltungsoperationen auf und betont, dass die israelische Besatzung die Verantwortung für die Spannungen in Jerusalem trägt", erklärte Sami Abu Suhri, Sprecher der radikalislamischen Gruppe.

Aufruf zur Bewaffnung

In Israel wurde Kritik an der Polizei laut, weil sie es seit Wochen nicht schaffen würde, die Sicherheit in Jerusalem wiederherzustellen. Die Behörden rechtfertigten sich damit, dass man nicht überall Polizisten aufstellen könne, um punktuelle Anschläge abzuwehren, und riefen die Bevölkerung auf, besonders wachsam zu sein. Jene Bürger, die einen Waffenschein hätten, sollten ihre Waffe bei sich tragen.

Netanjahu kündigte später an, Israel werde auf den "grausamen Mord" an den Betenden "hart reagieren".

Über das vergangene Wochenende war in Jerusalem eine relative Beruhigung eingetreten, nachdem die israelische, die palästinensische und die jordanische Führung vereinbart hatten, die Spannungen um den Tempelberg abzubauen. Doch am Sonntag wurde in Jerusalem ein arabischer Buslenker erhängt aufgefunden. Laut Autopsiebericht hatte er Selbstmord begangen, aber viele Palästinenser sind überzeugt, dass er von jüdischen Extremisten ermordet wurde. Und das hat die Stimmung wieder aufgeheizt. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 19.11.2014)