Haushaltsgeräte, die mitdenken, sind ein Teil der Zukunftsvision des "Smart Home". Die Steuerzentrale ist das Smartphone.

Foto: Kalle Mattsson

Erinnern Sie sich noch an die Geschichte vom "intelligenten" Kühlschrank, der von sich aus meldet, wenn Milch nachzukaufen ist? Diese gar online beim Supermarkt bestellt. Oder an die "smarte" Waschmaschine, die 2003 auf der Fachmesse Cebit vorgestellt wurde? Die hieß übrigens Hermine - ward viel bestaunt und dann nie mehr gesehen.

Haushaltsgeräte, die mitdenken, sind ein Teil der Zukunftsvision des "Smart Home". "In dieser Vision wird eine Vielzahl an intelligent handelnden und miteinander vernetzten technischen Geräten den Menschen umgeben und ganz selbstverständlich private und berufliche Aufgaben übernehmen", umschreibt die Wissenschafterin Christina Hochleitner vom Center for Usability Research & Engineering (CURE), das sich mit Mensch-Maschine-Interaktion beschäftigt, das Phänomen.

Obwohl heute kaum ein Haushalt ein "mitdenkendes" Gerät in seiner Küche stehen hat, ist auf diesem Gebiet eine Evolution bemerkbar, die unbestritten mit dem jeden Lebensaspekt durchdringenden Internet und der Weiterentwicklung des Smartphones zu tun hat. Das Netz wurde schneller, Smartphones gibt es in jedem Haushalt, billige Sensoren - die Sinnesorgane der smarten Produkte - und günstige Sender tun ihr Übriges.

Und so soll der Durchbruch des intelligenten Heims kurz bevorstehen: Spätestens 2015 soll es so weit sein, heißt es vom deutschen IT-Verband Bitkom. Denn die Vernetzung von Haushaltsgeräten und Haustechnik schreitet rasant voran: Bereits 2020, so hat das Marktforschungsinstitut Gartner errechnet, sollen etwa 26 Milliarden Geräte weltweit mit Bluetooth, WLAN oder sonstigen Netzwerkverbindungen ausgestattet sein. Die Bitkom spricht gar von 50 Milliarden vernetzten Geräten.

Die üblichen Verdächtigen

Den "Spielereien" intelligenter Systeme, die mittels Internet, Smartphone oder Tablet gesteuert werden, sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Einzelraumschaltung soll individuelle Wohlfühltemperaturen in jedem Raum ermöglichen - im Schlafzimmer kühl, im Badezimmer mollig warm, aber nur morgens und abends, im Wohnzimmer je nach Sonneneinstrahlung.

Man soll Lichtszenen speichern können, dem System beibringen, dass es so tut, als wäre man zu Hause, wenn man unterwegs ist, etc. Mit einer zentralen Aus-Funktion sollen sich sämtliche kleine Stromfresser mit einem Wisch übers Display vom Netz nehmen lassen. Das System meldet, wenn irgendwo ein Fenster geöffnet ist, jemand das Grundstück betritt oder die Milch auf dem Herd überzukochen droht, kurz: Es soll den Alltag ganz ungemein erleichtern.

Der erhöhte Komfort soll aber nicht der einzige Gewinn bleiben. Die Geräte verbinden Bequemlichkeit mit ökologischem und ökonomischem Denken - sagen Experten: Sobald der letzte Bewohner mit seinem Smartphone das Haus verlassen hat, weiß das System, dass es die Heizung herunterfahren kann. Ist der Nutzer auf Urlaub, kann die Heizung komplett heruntergefahren werden, um Energie zu sparen. Kurz vor seiner Rückkehr kann er Heiz- oder Klimageräte wieder einschalten, sodass bereits bei der Ankunft die gewünschte Temperatur herrscht. Mittels intelligenter Stromzähler wiederum kann man sich die Energiebilanz einzelner Geräte anschauen, die Waschmaschine nur dann laufen lassen, wenn der Strom günstig ist.

Prognosen zufolge wird allein der europäische Markt für einschlägige Lösungen bis 2017 um das 2,5-Fache auf ein Volumen von mehr als vier Milliarden Euro wachsen. Man stelle sich dann das weltweite Volumen vor. Ein Billiardengeschäft bahnt sich an - und so verwundert es nicht, dass sich die üblichen Verdächtigen bereits in Position bringen.

Smartphone als Schlüsselgerät

Anfang des Jahres stellte Samsung auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas seine neue Plattform "Samsung Smart Home" vor. Google springt mit der zweitgrößten Übernahme seiner Unternehmensgeschichte ebenfalls auf den Zug auf. Der Internet-Gigant schluckte für 3,2 Milliarden US-Dollar (rund 2,56 Milliarden Euro) den bis dahin weitgehend unbekannten Thermostat- und Feuermelderhersteller Nest Labs, der mit einem lernfähigen Heizungsregler groß geworden ist. Kleines Detail am Rande: Jeder dritte Mitarbeiter des Start-ups kam von Apple - darunter Firmenchef Tony Fadell, der Erfinder des iPod.

"Es ist nun leicht, sich vorzustellen, dass Android-Apps bei der Haustechnik eine große Rolle spielen. Diese könnten eine treibende Kraft für die 'Smart Home'-Technologie sein, da Smartphones bereits jetzt Schlüsselgeräte bei der Vernetzung sind", schätzt Elizabeth Mead, Analystin beim US-amerikanischen Marktforscher IHS. Und was macht Apple? Der Inbegriff technophiler Coolness? Der Konzern stellte im Juni seine Plattform "Homekit" vor. Die soll ihrerseits einen Standard setzen und es ermöglichen, dass sich verschiedene Geräte unterschiedlicher Hersteller über sie verständigen können. Auch das neueste Betriebssystem iOS 8 ist explizit auf die Interaktion mit automatisierten Wohnhäusern ausgerichtet. Auch Microsoft und andere Smartphone- und Endgerätehersteller haben sich zu Konsortien zusammengeschlossen, um ein Stück vom smarten, hausgemachten Kuchen abzubekommen.

Anfang November wiederum haben hundert europäische Anbieter einschlägiger Lösungen für das vernetzte Zuhause angekündigt, zusammenarbeiten zu wollen: Denn bislang existieren die Geräte vielfach für sich allein und können nicht miteinander kommunizieren, fehlt es ihnen doch an einer gemeinsamen Sprache. Nun machen sich Player wie Siemens oder Miele für einheitliche Standards stark, um ihre Produkte redseliger zu machen und den Markt schneller voranzutreiben.

Sicherheit vs. Bevormundung

All diese Entwicklungen rufen Kritiker auf den Plan. Die einen fürchten um die Sicherheit der Nutzer: "Wenn bei der Entwicklung dieser 'Smart Home'-Systeme die Sicherheit nicht ernster genommen wird als bei einem typischen PC oder Smartphone, wird ein Hacker all das machen können, was auch der Besitzer eines solchen schlauen Hauses machen kann", gab etwa Ian Brown, Associate Director des Cyber Security Centre der Universität Oxford, beim Europäischen Forum Alpbach zu bedenken.

Die anderen fürchten eine - Komfort hin oder her - Bevormundung der User durch die Technik. Dazu Christina Hochleitner: "Wie subjektiv nützlich und einfach jemand die intelligente Kaffeemaschine empfindet, entscheidet schlussendlich darüber, ob er oder sie diese Kaffeemaschine auf kurze oder lange Sicht nutzen will." Die Entscheidung liegt letztendlich also wieder beim Nutzer - und dessen Hausverstand. (Markus Böhm, Rondo digital, DER STANDARD, 20.11.2014)