Bern - Als Cornelius Gurlitt seinen letzten Willen formulierte, war der 81 Jahre alte Mann bereits schwer krank und stand unter Betreuung. Sein Testament infrage gestellt hat trotzdem niemand - bis jetzt. Ein Gutachten lässt Zweifel aufkommen an der geistigen Gesundheit des Kunsthändler-Sohns.

Über die Motive von Gurlitts hochbetagten Verwandten für dieses Gutachten kann nur spekuliert werden. Anfechten wollen sie das Erbe "im Augenblick nicht", wie ihr Münchner Anwalt Wolfgang Seybold am Montagabend auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. "Wir schließen das aber nicht vollkommen aus."

Die Erben wollten die Lage neu beurteilen, wenn das Kunstmuseum Bern seine Entscheidung bekannt gegeben habe - was voraussichtlich am 26. November der Fall sein wird. Sollte das Kunsthaus ablehnen, fällt alles an Uta Werner und Bruder Dietrich Gurlitt. Beim Amtsgericht München, dem zuständigen Nachlassgericht, lag zwar das Gutachten vor, wie eine Sprecherin sagte. Grund zu handeln sieht das Gericht aber nicht. "Da derzeit kein Erbscheinsantrag vorliegt, findet auch keine Prüfung der Wirksamkeit des Testaments statt."

Psychiatrisches Gutachten

Der Jurist und Psychiater Helmut Hausner kommt in seinem Gutachten zu einem ziemlich klaren Ergebnis: "Cornelius Gurlitt litt bei der Errichtung des Testaments vom 09.01.2014 an einer leichtgradigen Demenz, einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer Wahnhaften Störung", schreibt er in der Zusammenfassung seines Gutachtens, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Sein Fazit: Gurlitt sei nicht mehr zu einem freien Willen in der Lage gewesen. Allerdings: Hausner traf Gurlitt nie persönlich. Sein Urteil basiert auf Dokumenten und Gesprächen mit Leuten, die Gurlitt kannten. Darüber hatte die "Süddeutsche Zeitung" am Montag berichtet.

Der ehemalige Anwalt von Cornelius Gurlitt, Hannes Hartung, dem Edel einst das Mandat entzog, hält das Gutachten von Hausner für falsch. "Hier soll Cornelius Gurlitt posthum ins Irrenhaus gesteckt werden", sagte er der "Welt". "Abgesehen davon, dass ein solches Gutachten juristisch nicht tragfähig werden dürfte, halte ich es für unwürdig und respektlos gegenüber dem Verstorbenen."

Cousin distanziert sich

Der Cousin von Cornelius Gurlitt, Dietrich Gurlitt, hat sich vom neuen Gutachten über den Kunstsammler distanziert. "Mit den Versuchen einiger Verwandter, den Geisteszustand von Cornelius anzuzweifeln, habe ich nichts zu tun", schrieb Dietrich Gurlitt in einer E-Mail an das Kunstmuseum Bern, die sein Sohn Christoph der dpa übermittelte. Das Museum bestätigte am Dienstag den Erhalt des Briefs.

"Wie bereits im Mai erklärt, hoffe ich, Sie geben eine positive Entscheidung bezüglich des Cornelius-Gurlitt-Erbes bekannt", schrieb der 95-jährige Dietrich Gurlitt an das Museum. Das Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner, demzufolge Cornelius Gurlitt an "paranoiden Wahnideen" litt, habe Dietrich Gurlitt nicht in Auftrag gegeben, betonte sein Sohn und verwies auf eine Stellungnahme der Gurlitt-Angehörigen vom Mai dieses Jahres.

Darin hieß es: "Wir begrüßen vollumfänglich das Testament von Cornelius Gurlitt, das das Berner Kunstmuseum zum alleinigen Erben seiner wertvollen Sammlung macht und unterstützen dies ausdrücklich." Und: "Wir wollen und werden dazu beitragen, dass der letzte Wille des Verstorbenen ungehindert umgesetzt wird." (APA, 18.11.2014)