"Man spürt eine größere Flexibilität, die Positionen sind nicht mehr von vornherein festzumachen."

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Fünf Landeshauptleute bei der Landeshauptleutekonferenz im Mai in Stadtschlaining.

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derStandard.at: Es gibt seit den letzten Landtagswahlen veränderte Regierungskonstellationen in den Bundesländern, welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeit der Landeshauptleutekonferenz?

Bußjäger: Die Veränderungen nach außen sind auf den ersten Blick nicht besonders auffällig. Die Landeshauptleutekonferenz ist nach wie vor sehr erfolgreich darin, Länderpositionen zu koordinieren und gegenüber dem Bund zu vertreten. Die Änderung, die im Hintergrund auszumachen ist, ist, dass die Landeshauptleute eine deutlich flexiblere Position einnehmen – auch in verschiedenen Bereichen, in denen gerade die Grünen tätig sind. Das betrifft zum Beispiel die Kontrolle der öffentlichen Finanzen. Die Mitwirkung der Grünen ist schon merkbar, ich orte hier und anderswo eine gewisse Offenheit. Man denke hier auch an die Positionen verschiedenster Landeshauptleute der schwarz-grünen Westachse in Bildungsfragen.

derStandard.at: Sehen Sie auch eine Veränderung in der Geschlossenheit der Landeshauptleute?

Bußjäger: Keine, die mir aufgefallen ist. Wenn man das Beispiel Asylwesen heranzieht, auch hier ist die Position mehr oder weniger geschlossen. Natürlich drängen jene Landeshauptleute, die die Quoten übererfüllen, auf eine Verbesserung der Quote der anderen, das ist ganz klar, aber im Großen und Ganzen ist man sich einig. Die insgesamt größere Offenheit zeigt sich auch bei den jüngsten Reformen beim Bundesheer.

derStandard.at: Abseits der Landeshauptleutekonferenz, die keinen rechtliche Rahmen hat: Wie wirken sich die Veränderungen in den Regierungskonstellationen in den Bundesländern auch auf die föderalen Strukturen aus?

Bußjäger: Man spürt eine größere Flexibilität, die Positionen sind nicht mehr von vornherein festzumachen. Natürlich wirkt es sich aus, wenn die Grünen Regierungsarbeit im Land übernehmen. Sie erkennen dadurch auch den Wert der regionalen Gestaltungsfähigkeit, wenn beispielsweise grüne Themen wie Energiewende umgesetzt werden sollen, dann ist man auch bestrebt, Kompetenzen zu haben. Das erkennen die Grünen.

Zum Beispiel sind die Landeskompetenzen im Bildungsbereich äußerst bescheiden. Vielleicht deutet sich dann auch eine Abkehr von dem an, was grüne Bundespolitiker gern propagieren, nämlich dass Bildung Bundesaufgabe sein muss. Wenn Bildung ausschließlich in Bundeshand sein soll, was bleibt auf Landesebene denn noch zu gestalten? Hier könnte sich eine Veränderung andeuten, ansonsten könnten die grünen Landespolitiker das Problem haben, dass sie etwas fordern, was ihre Kollegen auf Bundesebene ablehnen. Dieses Phänomen kennen wir von anderen Parteien auch, vornehmlich von der ÖVP.

derStandard.at: Sind die Grünen also auf den Geschmack des Föderalismus gekommen?

Bußjäger: Noch ist es zu früh, das zu sagen, aber es könnte so kommen. Auf der anderen Seite sehen die Grünen auch, dass dort, wo Landeskompetenzen vorhanden sind und man gerne kritisierte, dass sie nicht entsprechend wahrgenommen werden, wie zum Beispiel bei der Schaffung von Quartieren von Asylwerbern, es in der Praxis nicht so leicht ist, den Vorgaben der Vereinbarung gerecht zu werden.

derStandard.at: Welche Auswirkung sehen Sie für die Volkspartei, wenn die föderale Basis geteilt werden muss?

Bußjäger: Die Volkspartei erkennt, dass man Kompromisse schließen muss und sich flexibel zeigen muss. Von daher ergeben sich auch Veränderungen. Allerdings sehe ich im Verhältnis Landes- zu Bundespartei kein Ausweiten des Konfliktpotenzials.

derStandard.at: Die Kompetenzen sind zum einen stark zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, in manchen Bereichen jedoch verzahnt. Sehen Sie hier die Notwendigkeit einer Glättung?

Bußjäger: Es wäre sicher sinnvoll, man stößt jedoch sehr rasch an Grenzen, wenn man über die bloße Bereinigung hinausgeht. Jeder föderale Staat hat das Problem der Kompetenzaufteilung. Sicherlich wird das in Österreich zu detailreich gemacht. Am Beispiel Bildungswesen demonstriert: Dieses ist von einem besonders hohem Maß der Verschachtelung der Kompetenzen geprägt, das sieht man auch an dem unlängst diskutierten Beispiel des Landeschulratsvizepräsidenten. Es ist im internationalen Vergleich völlig unüblich, dass so etwas in einer Verfassung zu finden ist, eine vergleichsweise nebensächliche Funktion.

derStandard.at: Eine andere Sache, die mit dem Föderalismus zusammenhängt, ist der Bundesrat, der sich in der Zusammensetzung verändert hat, durch die Wahlergebnisse der letzten Monate.

Bußjäger: Im Bereich des Bundesrats ist die Entwicklung eine sehr zögerliche. Es gibt hier zwei Probleme: Die Rechtsstellung des Bundesrats ist prinzipiell schwach, er kann Gesetze nur aufschieben. Zweites Problem: Die Bundesräte stimmen in der Regel so ab wie ihre Kollegen im Nationalrat. Jede Reform muss an beiden Punkten ansetzen. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 18.11.2014)