Auf den ersten Blick ist die Wirtschaftslage in Japan ein Desaster. Das Land ist wieder in die Rezession gerutscht; Konsumenten investieren kaum noch, Unternehmen gar nicht mehr. Es sieht so aus, als sei Premier Shinzo Abe mit seinem ambitionierten Wachstumsprogramm "Abenomics" gescheitert. "Droht Japan ein Abegeddon?", fragten sich zahlreiche Medien am Montag.

Doch der Abgesang auf Japan ist übereilt. Seit mehr als 20 Jahren kämpft das Land gegen Nullwachstum. Lange verfolgte Tokio eine simple Strategie: Nach dem Platzen der Immobilienblase in den 1990er-Jahren hatten Japans Banken aufgehört, Kredite zu vergeben. Die Notenbank versuchte dies zu ändern, indem sie Kreditinstitute auf Teufel komm raus mit billigem Geld versorgte. Alles vergebens. Die Nachfrage stieg nicht an. Aber wie sollte sie auch? Das Problem waren nicht knausrige Banken, sondern Firmen und Privatkunden, die überschuldet waren und deshalb keinen Appetit auf neue Darlehen hatten.

Abe und seine Berater haben das erkannt. Abenomics setzt deshalb nicht nur auf die Notenbank. Auch staatliche Investitionen wurden 2013 angekurbelt, um die Privatwirtschaft zu stimulieren. Richtig ist, dass der Erfolg der Strategie bisher bescheiden war. Doch der aktuelle Konjunktureinbruch hat viele Gründe, die Mehrwertsteuererhöhung von fünf auf acht Prozent im April ist einer davon. Um Abenomics fair zu beurteilen, ist es noch zu früh. (András Szigetvari, DER STANDARD, 18.11.2014)