Wien - Überlaufene Vernissagen, bei denen die Kunst hinter dem Gewusel verschwindet, und dann bis zur Finissage (insofern es überhaupt eine gibt) gähnende Leere: ein Umstand, den nicht nur kleine alternative Räume, sondern auch Galerien, Institutionen und Museen beklagen.

Diese Not hat vergangenes Wochenende ein Ausstellungsprojekt zur augenzwinkernden Tugend erkoren. Beim International Summit of Cheap Laser Graphics rückte man Vernissage und Finissage einfach so dicht zusammen, dass die besucherlose Kluft dazwischen getilgt wurde: Zwei Partynächte lang bot die Pop-up-Galerie auf ein leistbares Format heruntergebrochene Kunstwerke an.

Auch bei der am Montag gestarteten Vienna Art Week (17. bis 23. 11.) kennt man die Kniffe der Eventisierung; allerdings tauchen sie dort weniger ironisch gebrochen auf. Zum Zehn-Jahr-Jubiläum der Veranstaltung (sie war die erste ihrer Art), hat Robert Punkenhofer, künstlerischer Leiter der Vienna Art Week, nur einen Wunsch: "Es wäre schön, wenn noch mehr Institutionen ihre Eröffnungen in diese Woche legen." Ein noch geballteres Programm also. Die Logik ist jene: "Je mehr neue Inhalte wir zeigen können, umso mehr können wir wahrgenommen werden." Agnes Husslein, Direktorin des Belvedere, bestätigt dies: "Leute kommen nur punktuell, wenn etwas passiert."

Die Art Week hat vorgesorgt und listet 200 Veranstaltungen (2005: 80; 2013: 179), von denen die meisten - das hat ebenso Tradition - allerdings auch ohne die Art Week stattfinden würden. Mit Eröffnungen, Studiotouren, Diskurs etc. wird vielmehr der Trend zur Eventkultur befeuert, in Kauf genommen, dass die Häuser jenseits dieser Zeiträume Orte der Ruhe bleiben. Warum wird das kollektive Kunst-Seichteln eigentlich dem intensiven Dialog vorgezogen? Macht die Zwiesprache mit Kunst Angst? Auch eine Frage.

Fix ist, die Vienna Art Week ist ein Multiplikator, den man auch als Label, (Netzwerk-)Plattform, (Ego-)Marketinginstrument, konzertierten Eventreigen umschreiben kann - obendrein Tourismuspackage-tauglich; geeint durch ein unverbindliches, alles wie nichts ermöglichendes Motto. Heuer: Running Minds. Die Strategie der Überflutung inszeniert Wien als potenten Kunststandort.

Interessant ist tatsächlich der Vorschlag von Eva Blimlinger, Direktorin der Akademie, zu einer zweiten, ganz auf bildende Kunst fokussierten Festwochen-Runde im Herbst. In diesem Fall müssten aber wirklich Eigenproduktionen her. Mit nur einem Prozent von deren Budgets (die Festwochen verfügen über 14,5 Mio. Euro, Anm.) würde man dann nicht mehr auskommen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 18.11.2014)