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Unbeirrbar von einer Mission getrieben: Fräulein Dr. von Zahnd (Vera Borek; im Bild mit Thomas Bauer).


Foto: APA / Herbert Neubauer

Wien - Friedrich Dürrenmatts Die Physiker gehört seit der Erstaufführung 1962 zu den populärsten und im deutschsprachigen Raum meistgespielten Komödien der Nachkriegszeit. Das Volkstheater hat aber alle Hände voll zu tun, um diesen "Gutschein" bei der Premiere am Freitag einzulösen. Das schräge Treiben in der Irrenanstalt ist zäh; steifes Aufsagetheater raubt ihm viel Witz und letztendlich weitgehend Glaubwürdigkeit und Dringlichkeit.

Immerhin hat Dürrenmatt sein Stück unter dem Eindruck des Kalten Krieges und der Atombombe verfasst. Als eine die Menschheit bedrohende "Weltformel" ist diese Gefahr auch in Die Physiker Angelpunkt des Geschehens. Drei vorgeblich verrückte Wissenschafter ließen sich in die Privatklinik des betagten Fräuleins Doktor Mathilde von Zahnd (Vera Borek) einweisen, um hier an diese Weltformel heranzukommen. Möbius, der Entwickler der Formel (anrührend: Thomas Kamper), sah in der Anstalt den einzigen verbleibenden Ort für freies Denken und gab deshalb vor, mit dem biblischen König Salomo im Bund zu stehen; die anderen beiden - sie haben die Namen glorreicher Berufskollegen auserkoren: Newton (Erich Schleyer) und Einstein (Rainer Frieb) - sind dieser Formel im Auftrag ihrer jeweiligen Geheimdienste auf der Spur.

Schiefer Glanz

Unter einer baumelnden barocken Lockenperückenpracht betritt als Erster Newton (Schleyer) den von schweren Samtfauteuils vollgeräumten Salon der Anstalt, den einzigen Schauplatz des Stücks. Dass diese einst auch als herrschaftliche Sommerresidenz der von Zahnds genutzt wurde, eine womöglich unheilvolle Vergangenheit birgt und mit ihr auch sonst etwas nicht ganz stimmt, erkennt man im Bühnenbild von Wolf Gutjahr auch an dem falschen Glanz der mit Furor schief auftapezierten humanistischen Wohnapplikationen. Der Anblick kann schwindlig machen.

Dieser fensterlose, kreischend wirre Raum stellt in der Inszenierung von Elias Perrig die kräftigste Behauptung dar. Dazuzählen könnte man noch den Auftritt der Anverwandten Möbius': seiner Gattin (Claudia Sabitzer im heftig bunten Schwangerschaftskittel), die sich aus respektablen Gründen nach den vielen Jahren der Ehe mit einem Irren nun zur Scheidung sowie zur Vermählung mit einem Neuen entschlossen hat, einem bemerkenswert zeugungsfähigen Missionar (Günther Wiederschwinger).

Zu den drei Möbius-Söhnen hat der Regisseur noch weitere sechs des Missionars erfunden und so eine voluminöse Patchworkfamilie (im Stil der Kelly-Family) kreiert, die nicht nur aufgrund ihres kläglichen Blockflötenspiels Zeugnis davon ablegt, um wie viel schrecklicher es vermutlich außerhalb der Irrenanstalt noch sein könnte.

Was aber vor abgründigem Witz sprühen könnte, wirkt hier betulich und patiniert. Viele Szenen bleiben ungelenk und infolge von Tempoverlust lähmend. Vera Borek bildet eine Ausnahme; sie verleiht mit gravitätischer Stimme und ebensolchen Gebärden den kleinsten Regungen ihrer Rolle Bedeutung. Eine Beinverletzung kam ihrer dämonischen Figur der irren Irrenärztin dabei zupass. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 17.11.2014)