Das Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer hätte eigentlich Wege aufzeigen sollen, wie der geschwächten Weltwirtschaft qualitative Anstöße gegeben werden könnten; wie man gleichzeitig bei Klimaschutz, Energieversorgung, im Kampf gegen Steuerflucht und bei der globalen strengeren Regelung der Finanzmärkte weitere Fortschritte erzielen könnte.

In den Schlusserklärungen dieses G-20-Gipfels in Brisbane finden sich auch jede Menge Einzelmaßnahmen und Absichtserklärungen. Die Konferenz hat aber deutlich vor Augen geführt, dass die Ursprungsidee dieses Formats - Konzentration auf wirtschaftliche Themen - kaum einzuhalten ist. Stattdessen haben die Krise in der Ukraine, die schleichende militärische Eskalation seit einem Jahr, der Streit der westlichen Staaten mit Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin alles andere überschattet.

Das war im Frühjahr schon so beim Treffen der G-7-Staaten - der größten Industrieländer - in Brüssel, bei dem Putin wegen seiner unverhohlenen Unterstützung für die Separatisten in der Ostukraine kurzfristig ausgeladen worden war - wenige Wochen vor dem mutmaßlichen Abschuss eines Passagierjets über der Ostukraine, der 298 Menschen das Leben kostete.

Seither hat sich der Konflikt der Europäer mit Russland kontinuierlich verschärft, obwohl in der Ukraine inzwischen ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt wurden. Putin scheint diese demokratische Legitimation in Kiew wenig zu kümmern. Er lässt militärische Hilfe nach Belieben in die Ostukraine einsickern, um gleichzeitig (zynisch) zu beteuern, dass sein Land in diesen Konflikt nicht eingreife. Einen völligen Vertrauensverlust bei den Partnern in der Welt nimmt er offenbar in Kauf.

Der australische Gastgeber wollte ihm zur Begrüßung sogar den Handschlag verweigern. Putin, so schien es, ist derzeit das schwarze Schaf der Weltgemeinschaft, eine Gefahr für den Weltfrieden, wie US-Präsident Barack Obama den Russen in der bisher wohl schärfsten Formulierung nannte.

Diese Einigkeit in der Verurteilung der russischen Haltung mag vordergründig auch stimmen. Dennoch gab es vor und beim G-20-Meeting auch jede Menge Hinweise, dass der Ukraine-Konflikt am Ende ein Problem ist, bei dem die Europäer übrigbleiben.

Obama hat Moskau mit einer Ausweitung der Wirtschaftssanktionen gedroht. Aber es war derselbe US-Präsident, der - vom Apec-Gipfel der Staaten der Asiatisch-Pazifischen-Wirtschaftsgemeinschaft in Peking kommend - demonstrierte, worin die USA das Schwergewicht globaler Interessen sehen: nicht in Europa, in Osteuropa, in der Ukraine, sondern in einem Geflecht mit China und den asiatisch-pazifischen Staaten.

Putin war in Peking dabei, aber selbst da wurde er weniger beachtet, als ihm lieb sein kann. Neben den Präsidenten Xi Jinping und Obama blieb er blass.

Für die Regierungschefs aus Europa war die vergangene Woche der globalen Konferenzen eine einzige Ernüchterung: Niemand konnte hinterher sagen, wie die EU-Staaten aus ihrer tiefen Wirtschaftskrise herausfinden. Und eine Lösung für den inzwischen eingefrorenen Konflikt in der Ukraine müssen sie wohl selbst finden, denn die zaghaft verhängten Sanktionen gegen Moskau bewirkten bisher keine Haltungsänderung bei Putin. Es sieht nach politischer Dauerlähmung aus. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 17.11.2014)