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Die Zentralfiguren im Fahnderlwald: Aleksandar Dragovic und Robin Okotie holen nach dem Spiel gegen Russland Beglückwünschungen von den Rängen ein.

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Robert Almer: Am Arbeitstag des österreichischen Keepers verblüffte eine gewisse Diskrepanz zwischen dem durchaus bezwingenden Odeur der Gefahr, das die russische Offensivabteilung auszudünsten in der Lage war, und der konkretisierten Verdichtung desselben, welcher sich der Hannoveraner letztlich handgreiflich zuzuwenden hatte. Denn diese fiel im Umfang eigentlich recht gering aus. Gegen den Schuss Kokorins nach einer Viertelstunde wäre kein Kraut gewachsen gewesen, er fand die Stange. Jener von Tscherischew das Irgendwo. Somit blieb eigentlich nur ein aus kurzer Distanz abgesetzter Kopfball von Ignaschewitsch, bei dem am Zugriff dann auch nichts auszusetzen war (44.). Kurz: die hauptberufliche Nummer zwei will den ihr immer wieder prophezeiten Aussetzter einfach nicht und nicht liefern.

Florian Klein: Über seine rechte Seite lief in der Anfangsphase zwar das ein oder andere, rasch wurde aber ersichtlich, dass der Stuttgarter mit seinem vornehmlichen Gegenspieler Tscherischew alle Füße voll zu tun hatte. Für Nebentätigkeiten blieb da kaum mehr Luft. Einen Vorstoß Richtung Grundlinie gab es zu notieren, die auf ihn folgende Flanke perforierte gähnenden Leerraum (42.). Musste aller Mühe zum Trotz immer wieder Flanken und Vorlagen zulassen, die Kollegen Innenverteidiger waren folglich wiederholt in Mission Assistenzeinsatz unterwegs.

Aleksandar Dragovic: An erster Stelle ist diesbezüglich der Dynamo von Kiew zu nennen, der - generell und kurz und bündig - eine überragende Leistung zeigte. Gleich seine erste wichtige Intervention gegen Tscherischew deutete an, wohin es an diesem Abend gehen sollte. Wenig später zeigte er dem starken Mann aus Villarreal auch im Laufduell den Herrn. War (wie Nebenmann Hinteregger) stärker gefordert als in den letzten Partien, da Österreichs defensives Mittelfeld die Prellbockfunktion diesmal nicht wie gewohnt auszufüllen in der Lage war. Dem aus dem Sturmestosen ragenden Leuchtturm wurden somit auch auch regelmäßig Feuerwehrmannqualitäten abverlangt - und auch diese Vielseitigkeitsprüfung bestand er mit Bravour. Sein vorzeitiger Abgang mit Hüftleiden (86.) schwängerte die Schlussminuten denn auch mit Sorgenmienen.

Martin Hinteregger: Bei ihm gab es weder Zaudern noch Zagen. Im Zweikampf eine rohkräftige Macht, wenn auch nicht ganz auf dem eleganten Brillianzniveau von Dragovic. Unzweideutiger Foulvorsatz wird in pragmatischer Unaufgeregtheit zum Einsatz gebracht, sollten die Umstände dies erfordern. Beeindruckte dagegen immer wieder mit messerscharf abgefeuerten Spieleröffnungen aus tiefer Lage, die, linealgezogen, auch einen raschen Brückenschlag über das Mittelfeld darstellten. Eine Spielauffassung, der es an Riskanz beileibe nicht gebricht, sollte es an der notwendigen Präzision einmal - wie bei einem Fehlpass in Minute 70 auch geschehen - fehlen. Punktuell auftretende Mängel (zu spät beim Kopfballduell mit Ignaschewitsch, völliger Verlust an Tuchfühlung mit Kokorin) können am überzeugenden Gesamteindruck nicht kratzen.

Christian Fuchs: Ein formidabler Beginn mit gedankenschneller Freisetzung von Arnautovic im leeren Raum, verfiel in der Folge recht flott in gewisse initiativlose Orientierungslosigkeit. Sein Akzelerationsdefizit wurde gegen rasche Russen manchmal schmerzlich offengelegt. Der nächste bemerkenswerte Offensivimpuls ließ lange auf sich warten - ein mit Übersicht exekutiertes Zuspiel gegen die Bewegungsrichtung der zurückflutenden Gegner, welches Arnautovic eine Schusschance auf dem Silbertablett servierte (54.). Überhaupt war in der zweiten Halbzeit eine klare Steigerung beim Kapitän zu konstatieren, der jederzeit ein Vorbild an Unbedingtheit darstellte und auch immer wieder das Publikum zur Erhöhung der Dezibelproduktion anhielt.

Martin Harnik: Beeindruckend in Eifrigkeit und nie ermüdendem Bemühen. Warf sich vorne in die sich bietenden Breschen und hinten in jende die drohten. Ging in jedes Einsgegeneins ganz offensichtlich ohne die Absicht Gefangene zu machen. Dass sich in diese Aufgezogenheit auch einmal Hast schlich, dass der ein oder andere Span an technischer Unrundheit fiel - wer will es dem Unermüdlichen ankreiden? Sein schnellentschlossener Abschluss Richtung langes Eck stellte Österreichs beste Torgelegenheit für lange Zeit dar (25.) und löste bei Tormann Akinfejew eine Parade von Klasse aus. Bei einem grenzwertigen Zweikampf mit Kombarow forderte nicht nur Teamchef Koller vehement die Sanktion Strafstoß. Ideal-Assist vor Okoties Erlöser. Ein Funken des Irrsinns, welcher in letzter Minute in einen Rückpassansatz (?) aus 30 Metern mündete, darf mangels Schaden glücklicherweise als rätselhaftes Etwas Petitesse bleiben.

Christoph Leitgeb: Es gibt dankbarere Rollen als jene des Ersatz-Alaba. Doch eben diese hatte der Salzburger zu geben. Und obwohl er sich zweifellos mit den besten Absichten diesem Alpe d'Huez des alpenländischen Fußballs zu stellen beabsichtigte, verblieb er in: auffälliger Unauffälligkeit. Es war weniger individuelle Fehlerhaftigkeit, als systemische Ungleichgewichtigkeiten, die anzumerken sind - von mangelnder Robustheit im Zweikampf einmal abgesehen (der Eindruck, dass es ihm oft nicht gelang, seinen Mann zu stellen, blieb hier haften). Im Verbund mit Ilsanker eine erste Saubstaugerlinie zu etablieren und so zur Entlastung der Innenverteidigung beizutragen, gelang gegen einen fähigen Gegner nicht unbedingt befriedigend. Bemerkenswertes nach vorne blieb nicht erinnerlich.

Stefan Ilsanker: Kam für den beim Aufwärmen blessierten Julian Baumgartlinger zum Zug und musste sich also sehr kurzfristig mit der neuen Gegebenheit anfreunden. Ausgestattet mit Movember-Schnauz, fügte er sich aber recht nahtlos in die Formation ein. Wirkte auch durchaus selbstbewusst und körpersprachlich offensiv. Dabei beließ er es aber nicht, denn auch der ein oder andere spielerische Vorstoß wurde angegangen. Letztere gerieten mit zunehmender Spieldauer überzeugender, in diesen Momenten flutschte dann das Umschaltgetriebe fast. Jedoch: es mangelte in Österreichs Defensiv-Verbund diesmal etwas an Kompaktheit - der Abstand zwischen Viererkette und Sechsern weitete sich ein ums andere Mal nicht so schön aus. Zu viel Spielraum für die Russen in der Zone rund um den Strafraum war die ungemütliche Folge.

Marko Arnautovic: Vom Start weg unter Starkstrom, viel mehr als zwei potente Flanken lagen aber vor der Pause dann trotzdem nicht unter dem Strich. Die spätere zeitigte auch insofern Folgen, als der filigrane Akinfejew bei dieser Gelegenheit schmerzhaft an Janko abprallte und Labung nötig hatte. Nach Fuchsens cleverer Vorlage freie Schussbahn - jedoch erwies sich der versendete Außenristball weder was den Schmackes, noch was die Zielgenauigkeit (zentral auf den Keeper) anbelangt, als furchterregend. Spielglück kann man ihm wahrlich nicht nachsagen. Vermochte dieses auch nicht zu zwingen - ein nächster Versuch nach Vorarbeit von Harnik wurde ins Nirwana kanoniert. Immerin: Eine Parschiwljuk im Gewühl verpasste Kopfnuss lieferte einen Freistoß für Österreich sowie eine Verwarnung des Ramponierten ab.

Zlatko Junuzovic: Der Mann hinter der Spitze hatte an diesem Abend jenen Stempel offenbar nicht im Köcher, den einem Spiel aufzudrücken er sonst doch immer wieder in der Lage ist. Hing auch etwas im luftleeren Raum, da die Sauerstoffzufuhr aus den hinteren Mittelfeldregionen doch merklich stockte. Seine Dynamik blitzte somit nur momenthaft auf. Immer bestrebt seine Nebenleute raschestmöglich zu bedienen - nicht immer ging dieses ehrgeizige Ansinnen gut.

Marc Janko: Stellte in den (nicht allzu häufigen) Pressingkonstellationen potentielle russische Passwege routiniert zu. In seinem Kerngeschäft allerdings weitgehend wirkungslos - was einerseits an in unzureichendem Maß verabreichter Stürmernahrung lag (flankenseitige Diät), andererseits vielleicht auch durch übertriebene Standorttreue mitverursacht wurde.

Rubin Okotie (ab 59.): Kam anstelle Jankos und war gleich mitten im Geschehen, als er eine Flanke Kleins nur um Haaresbreite verfehlte. Mit ihm schien der frische Wind, der stetig seinen Weg unter das Dach des Happel fand, auch die ÖFB-Elf zu erfassen. Warum auch immer, sein Kommen deckte sich jedenfalls mit deren bester Phase. Bestach durch geschmeidige Bewegung und freigiebiges Anbieten. Blieb, nachdem er bereits getroffen zu haben schien (der Ball hatte allerdings wohl seinen Gesamtumfang doch nicht über die Linie gewuchtet), in unübersichtlicher Lage einfach vorne - und bewies damit den richtigen Riecher. Denn postwendend wogte Österreich in Form von Harnik wieder daher, und aus dem Offside zurückgewichen, ward unmissverständlich vollendet und entschieden (73.). Montenegro ließ grüßen.

Sebastian Prödl (ab 86.), Marcel Sabitzer (ab 90.): zu kurz eingesetzt.

(Michael Robausch - derStandard.at, 16.11. 2014)