Hamburg/Bagdad - Die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hat Medienberichten zufolge bereits weitgehende staatliche Strukturen aufgebaut. Innerhalb der Organisation gebe es beispielsweise eine Krankenversicherung, Heiratsbeihilfen und Unterstützungszahlungen für die Familien getöteter oder inhaftierter Kämpfer, berichteten "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR am Freitag unter Berufung auf interne IS-Dokumente.

Die Papiere lieferten einen bisher unbekannten und umfassenden Einblick in die Organisation. Aufgelistet seien etwa die Namen von Kämpfern; zudem gebe es detaillierte Angaben über Waffeneinkäufe sowie Personalakten von Selbstmordattentätern. So enthalte eine Einkaufsliste amerikanische M4-Sturmgewehre zum Stückpreis von 8.200 US-Dollar (rund 6.600 Euro). Es bestehe der Verdacht, dass die Waffen von korrupten irakischen Militärs stammten.

Eigenes Budget

Die Unterlagen zeigten außerdem, dass die vom IS kontrollierten Provinzen im Irak offenbar über ein eigenes Budget verfügen. Zwischen den einzelnen Provinzen findet demnach wohl auch eine Art Länderfinanzausgleich statt, bei dem reiche Bezirke Hilfszahlungen an ärmere leisten.

Um die Macht im Inneren zu sichern, investiere der IS zudem viel Geld in Sozialleistungen. Der IS verfüge über große Summen, die offenbar auch aus Schutzgeldzahlungen stammten.

Die Dokumente zeigten, dass der IS sich selbst als Staat ernst nehme, sagte der Experte Peter Neumann vom Londoner King's College, dem Teile der Unterlagen von den zwei deutschen Sendern und der Zeitung vorgelegt wurden. Die Dokumente machten klar, dass der IS gut organisiert sei und selbst brutale Akte der Gewalt gezielt eingesetze. "Diese Dokumente bestätigen im Prinzip, dass diese gesamte Organisation eigentlich viel rationaler und viel durchdachter ist, als wir uns das bisher vorgestellt haben", sagte Neumann.

Das ausgewertete Material stammt den Berichten zufolge aus dem Jahr 2013 und reicht bis ins Frühjahr 2014. Die Unterlagen beziehen sich demnach fast ausschließlich auf den Irak. Nach Angaben der irakischen Regierung wurden die Dokumente auf Speichermedien gesichert und im Juni bei einer Razzia entdeckt.

Der IS beherrscht je etwa ein Drittel der Nachbarländer Irak und Syrien. Das ausgewertete Material bezieht sich fast nur auf den Irak. Es war laut irakischer Regierung auf USB-Sticks und Festplatten gespeichert und wurde am 5. Juni 2014 bei einer Razzia im Versteck eines hochrangigen IS-Führers gefunden. Im Juni hatte erstmals der britische "Guardian" über den Dokumentenfund berichtet. Die irakische Regierung stellte einen Teil der Unterlagen nun den drei deutschen Medien zur Verfügung. (APA, 14.11.2014)