Die schottische Molekularbiologin Anne Glover gab am Mittwoch bekannt, dass der neue EU-Präsident ihre Dienste als wissenschaftliche Chefberaterin nicht mehr in Anspruch nimmt.

Dave Donaldson

London/Wien - "Das ist ein trauriger Tag für die Wissenschaft, die Politik und die Öffentlichkeit in Europa." Das sagte Colin Blakemore, Hirnforscher an der University of London laut der britischen Tageszeitung "The Telegraph" zum Abgang von Anne Glover. Und Jörg Hacker, Präsident der deutschen Nationalen Akademie Leopoldina, bedauert laut "Süddeutscher Zeitung", "dass die Position des Chief Scientific Adviser des EU-Kommissionspräsidenten offenbar abgeschafft werden soll."

Wie es also aussieht, hat die EU-Kommission ab sofort keinen wissenschaftlichen Chefberater mehr. Die Position war erst vor zwei Jahren geschaffen und mit der schottischen Biologin Anne Glover besetzt worden. Nun wurde die Stelle vom neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker gestrichen. Glover selbst machte ihre Entlassung Mitte der Woche publik, wollte sie jedoch nicht kommentieren.

Offensichtlich haben die Interventionen der Umwelt-NGOs gegen Glover das Ihre dazu beigetragen, dass die renommierte Molekularbiologin gehen musste. Erst im August hatten Greenpeace & Co. in einen offenen Brief an Jean-Claude Juncker den Posten des Chefberaters als solchen in Frage gestellt. Im Juli hatten sie in einem ersten Brief an Juncker Glover vorgehalten, "einseitige" und "parteiische" Meinungen in der Presse vertreten zu haben, und zwar in der Debatte um gentechnisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft.

Die neue EU-Kommission wollte nicht mitteilen, ob oder wie die Position des wissenschaftlichen Chefberaters weitergeführt werden soll. Präsident Juncker habe noch nicht entschieden, wie er die unabhängige wissenschaftliche Beratung künftig organisieren wolle, beschwichtigte eine Kommissionssprecherin gegenüber dem Wissenschaftsmagazin "Nature".

Paul Nurse, Präsident der Royal Society in London und ein forschungspolitisches Schwergewicht, reagierte dennoch empört: "Wenn die Kommission einen plausiblen Plan dafür hat, wie sie wissenschaftliche Evidenz nutzen will, sollte sie ihn schnell offenlegen." Geschehe dies nicht, sei dies Wasser auf die Mühlen derer, die der Kommission unterstellten, auf den Rat informierter Forscher keinen Wert zu legen. (red, derStandard.at, 15.11.2014)