Anka Lorencz ist seit Juni 2014 Geschäftsführerin der Bundesinnung des Lebensmittelgewerbes. Sie studierte an den Universitäten für Bodenkultur und Wirtschaft in Wien.

STANDARD: Haben Sie schon einmal einen allergischen Schock erlebt?

Lorencz: Gott sei Dank nicht. Aber im privaten Bereich leiden mehrere Bekannte an Unverträglichkeiten. Eine schlimme Sache.

Als Lebensmittelexperte wird man zwangsläufig dank neuer EU-Verordnung auch Allergieexperte ...

Lorencz: Wir versuchen, dass auch kleine Betriebe mit den Anforderungen einfach umgehen können. Im verpackten Bereich hat sich da rund um Allergene nicht viel verändert. Ich muss sie nur in der Zutatenliste anführen und dort herausheben - in welcher Form auch immer. Blassgelb auf weißem Hintergrund geht freilich nicht. Was wirklich neu ist, ist die Allergenkennzeichnung bei offener Ware.

STANDARD: Händler klagen, dass Hersteller bei Infobeschaffungen im Verzug sind.

Lorencz: Es hat lange gedauert, bis die österreichischen Umsetzungsbestimmungen herausgekommen sind. Was aber dazu geführt hat, dass unsere die liberalsten in Eu- ropa sind. Die Möglichkeit, mündlich zu informieren und mit Buchstabenabkürzungen zu arbeiten - das hat nur Österreich. Das Warten war es wert. Die Deutschen haben bis heute nichts und sich gerade eine Übergangsfrist bis Frühjahr genehmigt. Dass Kunden immer mehr Infos haben wollen, dieser Trend ist nicht zu ändern.

STANDARD: Geht es sich bis 13. Dezember aus?

Lorencz: Das glaube ich nicht. Viele Betriebe sind erst mitten in der Umstellung, je komplexer ein Produkt ist, desto schwerer die Kennzeichnung. Die Gefahr, Fehler zu machen, ist groß. Vor allem kleine Betriebe, die es sich nicht leisten können, einen Lebensmitteljuristen zu beschäftigen, kiefeln sehr an den Anforderungen.

STANDARD: Es drohen Strafen von bis zu 50.000 Euro. Das könnte so manch kleinen Unternehmer in den Ruin treiben.

Lorencz: Aber dieser Strafrahmen droht nur bei Gesundheitsschädlichkeit - wenn Sie etwas Giftiges in Verkehr setzen. Ein schwerer Mangel ist natürlich auch, wenn Sie was als allergenfrei ausloben, und dann ist dennoch was drinnen. Generell appellieren wir an die Lebensmittelaufsicht aber, in den ersten Monaten eher zu beraten und nicht gleich zu strafen.

STANDARD: Was, wenn Private nach dem Genuss eines Nusskonfekts klagen?

Lorencz: Von Privatklagen habe ich bisher nichts gehört. Da müsste einer schon viel Geld und Zeit haben, um daraus eine Schädigung abzuleiten. Leute, die unter Allergien leiden, wissen in der Regel selbst am besten, was sie essen dürfen und was nicht. Ein Erdnussallergiker würde nie im Leben eine Konditorei betreten - außer er will sich umbringen.

STANDARD: Viel Aufwand für eine verhältnismäßig kleine Gruppe?

Lorencz: Aber eine wichtige Gruppe. Immer mehr Menschen haben Unverträglichkeiten, das ist eine ernstzunehmende Konsumentengruppe. Es braucht Leute vor Ort, die etwa Auskunft geben können, ob in einer Wurst Stärke ist.

STANDARD: Was halten Sie von Ausweisen? Es soll auch Pseudoallergiker geben ...

Lorencz: Gar nichts. Wenn Kunden mit Fragen kommen, gilt es, diese zu beantworten.

STANDARD: Was kostet das alles die Betriebe?

Lorencz: Das Problem ist weniger das Geld. Handwerksbetriebe sind mit ihrer Arbeitskraft gebunden, müssen zugleich aber mehr und mehr Bürokratie bewältigen: dies und jenes ausfüllen, dort eine Personalschulung, hier eine Kontrolle, da Protokolle, Statistiken, dort Datenblätter - mehr als erträglich ist. Sie wehren sich nicht, weil ihnen die armen Allergiker wurscht sind, sondern weil auch ihr Tag nur 24 Stunden hat. Das bringt das Fass dann oft zum Überlaufen.

STANDARD: Was passiert eigentlich, wenn sich bei Weihnachtsfeiern allergene Lebensmittel einschleichen?

Lorencz: Es geht nicht um die Kindergeburtstagsjause oder das Kaffeekränzchen bei der Milli-Tant', - sondern um den gewerblichen Bereich. Aber die genaue Abgrenzung, wann ein Fest privat ist und wann nicht, wird noch verhandelt. Ich rede von Kirtagen, Feuerwehrfesten, Vereinen ... Diese Dinge machen es spannend. Oder der Pfarrer, der Hostien austeilt: Wird er jetzt zum Lebensmittelunternehmer, der schauen muss, ob die Leute Zöliakie haben? Da wollen wir die Kirche im Dorf lassen. (INTERVIEW: Verena Kainrath, DER STANDARD, 14.11.2014)