Wie sich Stress vermeiden lässt (v. li.): Martin Engelberg (VCG), Barbara Heitger (Heitger Consulting) und Rolf Haubl (Sigmund-Freud-Institut).

Foto: Regine Hendrich

"Mit Burnout haben Manager zum ersten Mal die Möglichkeit, über ihre Erschöpfung auch zu sprechen", sagt Rolf Haubl, Psychologe und Direktor des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt. Burnout sei zwar keine anerkannte Krankheit, dennoch würden darunter im Gegensatz zu Depression oder Angstzuständen eher Leistungsträger leiden, so die Wahrnehmung der Gesellschaft.

Im Rahmen von Leadership Revisited am Montag in Wien, veranstaltet von Heitger Consulting und der Vienna Consulting Group (VCG), zeigte Haubl auf, warum "Extremjobber im Vormarsch" sind und wodurch sie sich stressen lassen. Denn Führungskräfte brennen nicht wegen ihres großen Arbeitseinsatzes aus, sondern wegen fehlender Investitionen in ihren psychischen Energiehaushalt, sagt Haubl.

Noch mehr Arbeit und Verteidigung des Einsatzes

Besonders gefährdet sind, so empirische Untersuchungen, junge, hauptsächlich männliche Führungskräfte. Sie würden häufig eine kalkulierte Selbstschädigung in Kauf nehmen. Nach dem Motto: "Den nächsten Karriereschritt mache ich noch – dann drei Jahre durchhalten und mich auspowern, dafür kann ich mich danach zurücklehnen." Solche Personen verteidigen ihren Einsatz, aber das werde nicht funktionieren, sagt Haubl, "Erholung lässt sich nicht aufschieben."

Burnout-Untersuchungen zeigten bei männlichen Führungskräften noch eine weitere Auffälligkeit. "Auf die ersten Anzeichen von Schwäche wird der Arbeitseinsatz erhöht", ergänzt Haubl. Für Nachwuchsführungskräfte sei dieses "copying" fatal. Überarbeitung sei für karriereambitionierte junge Führungskräfte ein Statussymbol. Sie konkurrieren um wenige Topmanagementstellen und versuchen daher mit ihrer Verausgabung, anderen zu imponieren. Hier schließe sich auch wieder der Kreis zur kalkulierten Selbstschädigung, so Haubl.

Mitarbeiter in der Gratifikationskrise

Burnout und Depression können auch Folge davon sein, dass zwischen erbrachter Arbeitsleistung und erhaltener Belohnung eine Schere entsteht, die immer weiter aufgeht, ergänzt Haubl. Und: je größer die Schere, desto höher also die Gefährdung. Zwischen zehn und 25 Prozent der Mitarbeiter würden an dieser Gratifikationskrise leiden. Und: "Der stärkste Stressor sind unzufriedene Mitarbeiter", sagt Haubl, denn sie würden der Führungskraft ihre Gefolgschaft verweigern. Authentische Anerkennung und tatsächliches Interesse an dem Mitarbeiter seien die wirksamsten Belohnungen, ergänzt er.

Ein zentraler Stressor sei auch die Veränderung weg vom Befehls-, hin zum Verhandlungsprinzip in der Führung. Das verlange von den Führungskräften die Bereitschaft zur Kommunikation, vor allem aber eine ausgeprägte Kommunikationskompetenz, erklärt Haubl. Denn die Führungskraft sollte ihre Mitarbeiter zuallererst dazu bewegen, sich überhaupt führen zu lassen. Die Herausforderung dabei: "Führungskräfte sind es gewohnt, zu handeln, anstatt zu reden, die Mitarbeiter werden aber dabei nicht mitgenommen. Widerstand und Unzufriedenheit der Mitarbeiter sind die Folge." (DER STANDARD, 15./16.11.2014)