Es ist nicht schön, wenn man seinem politischen Erbe auf der Anklagebank im Gerichtssaal begegnet. Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel musste am Donnerstag im Untreueprozess gegen Peter Westenthaler aussagen, der seinerzeit als FPÖ-Klubobmann ein ziemlich wichtiger Bestandteil der schwarz-blauen Koalition gewesen war. Wenn Schüssel bei allen Korruptionsprozessen gegen Bestandteile dieser Koalition als Zeuge dabei sein müsste, hätte er viel zu tun.

Der Altkanzler findet das aber ohnehin höchst überflüssig, denn das sei ja nur ein Versuch, die segensreichen Maßnahmen von Schwarz-Blau "im Nachhinein zu kriminalisieren". Insbesondere der Prozess gegen Westenthaler sei überflüssig und koste schon mehr als der gesamte, angeblich zweckwidrig verwendete Betrag (Jugendförderung im Fußball), um den es hier gehe.

Da handelte sich der Altkanzler eine Zurechtweisung vom Richter ein: "So ist das in einem Rechtsstaat, sonst müssen wir die Tätigkeit einstellen."

Ja, der Rechtsstaat und das Verhältnis von manchen Politikern zu demselben. Es soll hier nicht behauptet werden, dass Wolfgang Schüssel als Kanzler die Machinationen der eigenen Leute, vor allem aber des FPÖ- bzw. dann BZÖ-Partners aktiv gefördert oder auch nur bewusst übersehen hätte. Aber er musste wissen, mit wem er es zu tun hatte. Deshalb muss er heute die Trümmer seines Erbes im Gerichtssaal besichtigen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 14.11.2014)