154 Österreicher sind in den Jihad gezogen, hat die Innenministerin vor kurzem berichtet. 26 von ihnen sind gefallen. 64 sind aus ihrem Einsatz in Syrien und im Irak wieder zurückgekommen. Wer sind diese Leute? Religiöse Fanatiker? Irregeleitete Idealisten? Desperados? Verbrecher? Und was kann man tun, fragt die Öffentlichkeit, um diesen Trend - falls es tatsächlich ein Trend ist und nicht eine Reihe Einzelfälle - zu stoppen?

Claudia Datschke, eine renommierte deutsche Arabistin und Leiterin einer einschlägigen Beratungsstelle in Berlin, hat den Begriff "Pop-Jihadisten" geprägt. Pop-Jihadisten sind junge Leute mit Migrationshintergrund, die sich in Westeuropa fremd und unerwünscht fühlen und eine Art radikal-islamistische Jugendszene aufgebaut haben.

Diese ist keineswegs archaisch, sondern durchaus hip. Supermoslem statt Superman. Die Pop-Jihadisten tragen mit kämpferischen Sprüchen bedruckte T-Shirts, sie stellen höchst professionelle Videos und CDs mit sogenannten Nasheeds her, arabische geistliche Musik, mit Pop-Elementen verfremdet. Jihad ist cool.

Ist Mohamed Mahmoud, Österreichs bekanntester Islamist, ein solcher Pop-Jihadist? 2005, damals knapp zwanzig, war dieser junge Mann mit dem Bubengesicht zum ersten Mal an die Öffentlichkeit getreten. Er hatte in Wien eine muslimische Jugendgruppe gegründet, der außer ihm und seiner Freundin nur eine Handvoll Leute angehörten, und gab in einem kleinen Kaffeehaus eine Pressekonferenz. Nur wenige Journalisten waren gekommen. Er wolle, dass man ihn und seinesgleichen ernst nehme, sagte er, mit Wiener Akzent. Sein Lehrer in der Schule sage immer "die Mohammedaner"; wenn man ihn darauf hinweise, dass das nicht so heiße, wolle er das gar nicht hören. Der Eindruck der Reporter: Vor dem müssen wir uns nicht fürchten. Das nächste Mal begegneten sie Mohamed Mahmoud ein Jahr später vor Gericht, er wurde wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis wurde er offenbar endgültig zum Terroristen. Seit einiger Zeit macht er bei der IS in Syrien von sich reden.

Ob man Burschen wie ihm mit Instrumenten wie dem neuen Islamgesetz beikommt? Mit von oben propagierten Vorbildern, die laut der neuesten Integrationskampagne sagen: "Ich bin stolz auf meine Heimat Österreich"? Nicht einmal alle "echten Österreicher" würden vorbehaltlos einen solchen Sager von sich geben. Laut einer Studie fühlt sich ein Teil der jugendlichen Migranten nur teilweise als Österreicher und hegt auch gewisse Anhänglichkeiten an das Herkunftsland. Ist das bedenklich? Oder nicht eher natürlich? Muss man hundertprozentig vaterländisch gesinnt und auch noch beruflich erfolgreich sein, um als integriert zu gelten?

Es ist gut, wenn man sich hierzulande neuerdings mehr Gedanken über Islam und Integration macht. Aber es sollten bei den angepeilten Lösungen mehr Menschen mitreden, die selbst Erfahrungen mit Emigration, Flucht und Vertreibung haben. Die klugen und vernünftigen Leute von der österreichischen islamischen Jugend, die darüber klagen, dass sie beim Islamgesetz nicht konsultiert wurden, wären gute Ratgeber. Sie wissen vermutlich am besten Bescheid über die neuen Pop-Jihadisten. (Barbara Coudenhove-Kalergi, DER STANDARD, 13.11.2014)