Es ist also ausgesprochen. Sollte das mit der Steuerreform nichts werden, war's das auch mit der rot-schwarzen Koalition. Überraschend kommt die Aussage von Reinhold Mitterlehner nicht. Sie hat auch nichts damit zu tun, dass er am Wochenende mit mehr als 99 Prozent zum ÖVP-Parteichef gewählt wurde und nun Rückenwind verspürt. Es handelt sich vielmehr um die Feststellung des Faktischen. Wenn es die Koalitionspartner nicht schaffen, bei dieser symbolisch so wichtigen Frage einen Konsens zu erzielen, gibt es schlicht und ergreifend keinen Grund mehr weiterzumachen.

Mit sonstigen Großvorhaben ist das Koalitionsprogramm schließlich nicht gerade gespickt. Beim Pensionsthema wartet man vorerst ab und beobachtet, ob beziehungsweise wie die zuletzt beschlossenen Maßnahmen wirken. Beim Bildungsthema gibt man sich zwar neuerdings ideologiefrei - was auch zu begrüßen ist; viel mehr als der ein oder andere Schulversuch wird dabei aber wohl nicht rausspringen. Bei der versprochenen besseren Abstimmung zwischen Kindergärten und Volksschulen, die man nun zum Leitprojekt ernannt hat, ist man wieder einmal auf die Länder angewiesen. Was das heißt, weiß der gelernte Österreicher: nichts Gutes. Und die Hoffnung auf eine größere Föderalismus- oder Verwaltungsreform haben mittlerweile nicht einmal mehr die größten Optimisten.

Die mangelnde Kompromissbereitschaft ist beim Steuerthema aber längst nicht das größte Problem, das Werner Faymann und Mitterlehner haben. Mit der Festlegung auf ein Entlastungvolumen von mindestens fünf Milliarden Euro (die SPÖ hätte sogar gern eine sechste Milliarde) hat man sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Zu weit. Die konjunkturelle Lage verschlechtert sich seither laufend, was zur Folge hat, dass die Ausgaben für das Arbeitslosengeld steigen, die Steuereinnahmen sinken, und die Gegenfinanzierung noch schwieriger wird.

Die Regierung muss sich die Frage gefallen lassen, ob jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt für eine derart große Einkommensteuersenkung ist, oder ob nicht mehr Jobs geschaffen würden, wenn man einen Teil des geplanten Volumens für eine Senkung der Lohnnebenkosten oder Bauprojekte abzwacken würde. Kluge Wirtschaftspolitik schielt nicht nur auf die Lohnzettel. Das ist zwar nicht so sexy, aber ehrlicher als Versprechen wie jenes, dass wirklich jeder entlastet wird. (Günther Oswald, DER STANDARD, 12.11.2014)