Die Langzeituntersuchungen am Schlammvulkan Haakon Mosby vor der norwegischen Küste zeigen, dass man die von derartigen Strukturen abgegebene Methanmenge bisher unterschätzt hat.

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Bremen - Schlammvulkane sind zu einem nicht unerheblichen Anteil dafür verantwortlich, dass große Mengen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre gelangen. Soviel war den Forschern bislang schon bekannt. Untersuchungen am Schlammvulkan Haakon Mosby in der Barentssee vor Norwegen weisen nun aber darauf hin, dass diese schwer berechenbaren Strukturen offenbar bis zu zehnmal mehr Gas ausscheiden als bislang angenommen. Ein Forscherteam unter der Leitung des Bremer Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie fasste die Ergebnisse einer Langzeitbeobachtungen in der Zeitschrift "Nature Communications" zusammen.

An Land sind Tausende dieser Schlammvulkane bekannt, aber auch im Ozean, zwischen 200 und 4.000 Meter Wassertiefe, werden immer mehr solcher methanspeienden Strukturen entdeckt. Wissenschafter schätzten bislang, dass Unterwasservulkane jährlich 27 Millionen Tonnen zum weltweiten Methanausstoß beitragen, das sind mehr als fünf Prozent der insgesamt 500 Millionen Tonnen. Doch könnte der Anteil auch noch höher liegen, da nicht alle Kontinentalränder vermessen sind und es keine Dauerbeobachtungsstationen im Meer gibt.

Eruptionen stören methanfressende Mikroben

Heute weiß man, dass ein Großteil des von den Schlammvulkanen ausgeschiedenen Methans nicht in die Atmosphäre gelangt, denn besondere methanfressende Mikroorganismen wandeln das Treibhausgas schon im Meeresboden zu Karbonat um, sofern sie ausreichende Konzentrationen an Oxidationsmittel wie Sulfat finden. Diese Mikroorganismen sind sehr langsam, denn ihre Generationszeit beträgt 3-6 Monate.

Strömt das Gas kontinuierlich, funktioniert dieser biologische Filter am Meeresboden gut. Bei einer Störung dieses Fließgleichgewichts, also einer Eruption, sind die Mikroorganismen schlicht überfordert und das Gas steigt fast ungehindert in die Wassersäule auf. Das passiert, wenn die austretenden Fluide sehr schnell ausströmen und die Oxidationsmittel nicht ausreichend nachfließen. Oder wenn die Eruption die Schichtung des Schlamms so durcheinandergewirbelt hat, dass der Lebensraum der methanfressenden Mikroorganismen zerstört.

Um zu sehen, wann und wie oft der Vulkan ausbricht, stationierten die Forscher eine Plattform mit verschiedenen physikalischen und chemischen Sensoren auf dem Haakon Mosby-Schlammvulkan in über 1200 Meter Wassertiefe. Der Vulkan deckt eine kreisförmige Fläche mit einem Kilometer im Durchmesser ab und erhebt sich nur zehn Meter über das umliegende Terrain. Er wird von eiskaltem Bodenwasser überströmt – doch je tiefer man im Meeresboden misst, desto wärmer wird es.

Mit dem Observatorium "LOOME" wollten die Forscher prüfen, ob die im Meeresboden dieses Schlammvulkans befindlichen Gashydrate manchmal durch Hitzepulse aufgelöst werden und als Gas entweichen können. Wie sich zeigte, veränderte sich der Vulkan im Laufe des Jahres mehrmals. Die Thermometer zeigten steigende Temperaturen, Gase stiegen auf und drückten den Meeresboden um über einen Meter nach oben und um über hundert Meter zur Seite. Anschließend sank der Boden wieder langsam in sich zusammen.

Zehnmal mehr Methan als angenommen

Dirk de Beer vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und wissenschaftlicher Leiter des sogenannten LOOME Observatoriums erläutert die Ergebnisse: "Diese Eruptionen werden vom aufsteigenden Gas aus tieferen Schichten des Vulkans angetrieben. Zusätzlich führt jede Eruption zu Temperaturerhöhungen an der Oberfläche und die im Schlamm gefrorenen Gashydrate gehen vom festen Zustand in den gasförmigen über. Das Methan kann in die Wassersäule aufsteigen. Unsere Berechnungen zeigen, dass ungefähr zehnmal mehr Methan austritt als bisher angenommen. Ein Großteil dieses im Wasser gelösten Gases erreicht die Atmosphäre aber nicht, sondern wird beim Aufstieg im Meerwasser verteilt und schließlich von Bakterien aufgezehrt."

Eine wichtige Erkenntnis dieser Studie ist, dass die Eruptionen den biologischen Filter im Meeresboden schädigen, der das meiste Methan des Haakon Mosby Schlammvulkans zurückhält. Antje Boetius, Fahrtleiterin der Expeditionen und Mitautorin der Studie, sagt: "Wir haben durch die erstmals ganzjährige Beobachtung des Schlammvulkans viel über sein Verhalten und den Einfluss auf die Umwelt gelernt. Da Eruptionen solcher Schlammvulkane an Land wie im Meer erhebliche Schlammrutschungen verursachen können und eine erhebliche Quelle von Gas sind, sollte es mehr Dauerbeobachtungsstationen für sie geben." (red, derStandard.at, 11.11.2014)