Alles sehr pflegeleicht hergefliest in Thurns Heurigenrestaurant in Wien-Ober St. Veit.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ganslsulz unter Krenstroh mit Vogerlsalat.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Immerhin: Auf der Karte findet sich mit dem Gemischten Satz von Christ auch ein Wiener Wein. Der fühlt sich unter lauter Steirern zwar ein bisserl verlassen, dafür kommt ihm die wichtige Aufgabe zu, jene Ahnung von Lokalkolorit zu verbreiten, die dem neuen Großwirtshaus in Wien-Hietzing ansonsten eher abgeht - wiewohl es sich um ein "Heurigenrestaurant" handelt. Falls es wer nicht weiß: Ein solches gibt sich dem Aussehen nach als Heuriger, schenkt im Gegensatz dazu aber keine hauseigenen Weine aus. Im konkreten Fall haben die Eigentümer ihren Hintergrund in der Steiermark, was sich nicht zuletzt durch das Zapfen von dreierlei Murauer (Pils, Zwickl, Weißbier) erfreulich bemerkbar macht.

In der Vitrine lagern allerhand mitnahmefähig paketierte Rauchwürste, außerdem Verhackerts und Bratenfetten. Der Gastraum ist fugendicht mit Terrakotta verfliest, die Buchenholzbankerln, -stühle und -tische sind klarlackiert, und auch die zahlreich von der Decke funzelnden Energiesparlampen verbreiten ihren an Industrieställe gemahnenden Grünstich mit aller zur Verfügung stehenden Gründlichkeit - sauber ist das hier, pflegeleicht. Für die Gemütlichkeit gibt es ein Hirschgeweih an der Wand, passt.

Die Karte

Die eigentliche Attraktion des neuen Restaurants ist, wenn man dem Webauftritt glaubt, aber im Koch zu suchen: "Die Küche dieses hoch dekorierten Herzgenies zählt zu einer der kreativsten und aromatischsten des Landes." Tatsächlich war Erich Pucher in Murau einst für drei Hauben gut, noch 2008 befanden die Tester seine "Spargel-Fisch-Scampi-Häppchen (sic!) - bei aller Vorsicht mit Superlativen - als schlichtweg perfekt".

Diese Begeisterung lässt sich nicht mehr ganz nachvollziehen. Dabei liest sich die Karte eh wie die Blaupause eines in die Jahre gekommenen Haubenwirtshauses in der Provinz, die gemischten Aufstriche zum Auftakt sind hier ebenso verewigt wie die "Suppe vom gelben Kürbis mit Schafkäse im Strudelblatt" oder, alle Jahre wieder hochaktuell, die "herbstliche Dessert-Sinfonie mit Kastanientiramisu, Schokomousse und Kürbis-Eis". Hui!

Speckteller

Preislich geht es dafür gemäßigt zur Sache. So schlägt das Schweinswiener samt Erdäpfelsalat mit 10,50 Euro zu Buche, nur das unvermeidliche Filetsteak wagt sich über die 20-Euro-Grenze vor. Eine Küche, die über das hinausgeht, was ein "Heurigenrestaurant" auch ohne Aufbietung eines Dreihaubers gemeinhin bietet, darf man sich deshalb aber nicht erwarten. Der Speckteller samt Kaminwürstl erweist sich als richtig fett belegtes Brettl, die Ganslsulz wird zwar unter einem Berg feuchten Krenstrohs versteckt, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es sich um schlichte Rindfleischsulz handelt. Nur der Kellner will davon auf Nachfragen nichts wissen: "Das ist die Ganslsulz, hab ich ja so boniert." Na dann.

Die als Spezialität des Hauses angepriesene "steirische Nudelvariation" besteht aus zweierlei klebrigen Kärntner Nudeln (darunter eine speziell säuerliche mit Kürbisfüllung) und einem Spinatknödel, dessen Knoblauchfahne sich schon von weitem ankündigt. Ein - zumindest in Kärnten pflichtschuldig dazu servierter Salat - hätte die teigigen Batzen eventuell ins Flutschen gebracht, so aber erweisen sich Nudeln wie Knödel nur sehr eingeschränkt essfähig. Im Vergleich ist das Wildragout richtig gut, und zwar trotz großzügig aufgezuckerten Rotkrauts und klebriger Preiselbeeren am Salatblattl. (Severin Corti, DER STANDARD, 14.11.2014)