Pro
Von Christian Schachinger
Früher hat der Großvater gern beim Essen gesagt: Wenn ich als Kind bei meinem Vater am Esstisch den Mund zum Reden aufgemacht hätte, dann hätte ich eine Mordstrumm-Watschen picken gehabt. Mein Vater meinte daraufhin ebenso gern: Geh, erzähl doch nicht schon wieder so einen Blödsinn. Und mit Watschen droht man Kindern heute sowieso nicht mehr, sonst zuckt nur deine Tochter wieder aus.
Daraufhin sagte der Großvater gern, dass sich hier wieder einmal genau zeige, um was es bei diesem Thema eigentlich geht - und warum sein Vater früher den Gürtel gar nicht erst aus der Hose ziehen musste. Wenn Kinder zurückreden, habe man nämlich beim Essen keine Ruhe. So.
Meine Mutter kam daraufhin an den Tisch und servierte irgendetwas oder haute auf die Tischplatte oder so. Sie meinte, dass sie es in diesem Haus tagein, tagaus nur mit Deppen zu tun habe. Und jetzt sollten gefälligst alle den Mund halten, sonst spiele es nämlich Granada. Capisce?! Gern wäre ich als Kind an einem Extratisch gesessen.
Kontra
Von Mia Eidlhuber
Die gemeinsame Mahlzeit ist bitte die Urform des Beisammenseins. Über Jahrhunderte war die Anwesenheit am gemeinsamen Tisch sogar so etwas wie ein rechtsverbindlicher Akt, der unter nicht gerade wenigen großen und wichtigen Häuptern auch zu der einen oder anderen Friedensabmachung geführt hat.
Ob ein gemeinsames Essen im Familien- oder Freundeskreis unter den kleinen Häuptern immer direkt zu Friedensabmachungen führt, bleibt freilich fraglich. Wichtig ist es allemal. Studien behaupten nämlich, dass Kinder, die dreimal pro Woche am gemeinsamen Tisch mit ihrer Familie essen, viel weniger verhaltensauffällig und auch weniger übergewichtig sind. Bleibt die Frage: Was war zuerst? Die Auffälligkeiten oder der Katzentisch? Und wohin soll diese Art Esstisch-Separatismus führen? Zuerst die unter 1,50 Kleinen verbannen, dann die Lästigen und schließlich die Dicken? Also bitte alle an einen Tisch! Damit niemand am Katzentisch des Lebens landet. (Rondo, DER STANDARD, 14.11.2014)