Tieren wird fast immer eine gewisse Eigenschaft zugerechnet: Da gibt es den ängstlichen Hasen, die lästige Fliege oder die fleißige Biene. Der Wolf hat in dieser Hinsicht Pech gehabt. Er ist immer der Böse. Er sucht ständig Beute oder isst gar Großmütter auf. Pfui! Julie Bind und Michaël Derullieux versuchen nun eine Art Imagepolitur. "Der nette böse Wolf" zeigt eine gute Seite im Raubtier. Dabei sieht es anfangs noch ganz anders aus. Die Kinder haben Hunger, Papa muss Essen herbeischaffen - und das im tiefsten Winter. "Es ist kalt, sehr kalt. Aber dem Wolf macht das gar nichts aus! Einem großen bösen Wolf ist niemals kalt", heißt es. Zuerst trifft er auf ein Kaninchen. Schnell hat er es gefangen, schon will er es fressen.

Aber das Kaninchen fleht, und es erzählt: "Ich bin doch nur aus meinem Bau gekommen, um Futter für meine Kleinen zu suchen. Wenn du mich auffrisst, kriegen sie nichts zum Frühstück." Der Wolf hat Mitleid. Dann ist da die Ziege, später das Rentier. Kurz: Der Wolf resigniert bei der Futtersuche. Es wäre kein Buch für Kinder ab dem vierten Lebensjahr, wenn dann nicht doch noch eine Auflösung gefunden wird. Eine kleine Warnung muss ausgesprochen werden: Dies ist ein Weihnachtsbuch! Vielleicht ist es noch ein bisschen früh, andererseits ist ja schon November - da darf schon Bezug genommen werden, oder? (Peter Mayr, DER STANDARD, 8.11.2014)