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Artur Mas ist mit seiner katalanischen Minderheits-regierung auf die Unterstützung der noch stärker separatistischen Republikanischen Linken angewiesen. Diese fordert Neuwahlen.

Foto: AP / Manu Fernandez

Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung brachte am Sonntag 2,2 Millionen der insgesamt 6,3 Millionen katalanischen Wahlberechtigten zu einem "Bürgerbeteiligungsprozess" an die Urnen. "Wollen Sie, dass Katalonien ein Staat wird?", lautete die eine Frage. "Im Falle, dass Sie zustimmen: Wollen Sie, dass dieser Staat unabhängig ist?", die zweite. 80,7 Prozent stimmten mit einem doppelten "Ja" und damit für die Loslösung von Spanien, weitere 11,1 Prozent mit "Ja/Nein", was gleichbedeutend mit der Föderation eines katalanischen Staates mit Spanien ist. Nur 4,6 Prozent lehnten jedwede Veränderung ab. Sie wollen spanische Region bleiben wie bisher.

Die einzige Bedingung für die Teilnahme an der Abstimmung war ein Mindestalter von 16 Jahren und ein fester Wohnsitz in der Region. Abgestimmt wurde über die Fragen, die eigentlich für ein verbindliches Referendum über die Zukunft der nordostspanischen Region vorgesehen waren. Doch die konservative Regierung in Madrid unter Mariano Rajoy ließ dies vom Verfassungsgericht stoppen. Die nicht verbindliche, von Freiwilligen organisierte und von der Autonomieregierung in Katalonien unterstützte Bürgerbefragung war die Antwort darauf.

Rajoy: Mit mir kein Verfassungsbruch

"Wir haben einen Riesenschritt gemacht, um mit Freiheit und allen Garantien über unsere Zukunft zu entscheiden", erklärte der katalanische Regierungschef Artur Mas nach dem Schließen der Wahllokale. Erneut verlangte er von der Madrider Zentralregierung ein echtes Referendum. Er will dies jetzt aushandeln.

Doch der spanische Premier Rajoy will weiterhin nichts davon wissen. "Solange ich Regierungschef bin, wird man die Verfassung und die Souveränität respektieren, und niemand wird die Einheit Spaniens zunichtemachen", hatte Rajoy am Vorabend des Urnengangs auf einer Veranstaltung seines Partido Popular (PP) im tiefsten Zentralspanien gesagt. Sein Justizminister Rafael Catalá spricht von einer "nutzlosen Übung" und hielt die Staatsanwaltschaft erneut an zu überprüfen, ob der Urnengang vom Sonntag ein Verstoß gegen die Anordnungen des Verfassungsgerichts war und die Freiwilligen deshalb gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden können.

Wenig Spielraum

Ein Großteil der Presse in Katalonien wie in Madrid rief am Montag beide Streitparteien zu Verhandlungen auf. Gespräche scheint es seit Wochen zu geben. Politiker aus der zweiten Reihe aus dem Umfeld der Autonomieregierung und der beiden großen Parteien in Madrid, Rajoys PP und der sozialistischen PSOE, treffen einander laut Presse immer wieder, jedoch ohne Erfolg.

Falls Mas, wie abzusehen, dabei scheitert, mit Rajoy ein rechtlich verbindendes Referendum auszuhandeln, bleibt ihm wenig Spielraum. Seine nationalistische Mitte-rechts-Wahlkoalition CiU regiert in Minderheit und wird von der Republikanischen Linken (ERC) unterstützt. Diese verlangt vorgezogene Neuwahlen, bei denen alle Parteien, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens starkmachen, mit ebendiesem Programmpunkt antreten. Erhalten sie die Mehrheit, will ERC einseitig die Unabhängigkeit verkünden.

Mas zögert, solche Wahlen auszurufen. Denn allen Umfragen zufolge würde er nicht gewinnen. ERC profitiert von ihrer Unterstützung der Unabhängigkeitsbestrebungen weit mehr als CiU und könnte stärkste Partei werden. (Reiner Wandler aus Madrid, DER STANDARD, 11.11.2014)